Europa wartet auf Angela Merkel

Gleich zum Auftakt ihrer dritten Kanzlerschaft widmet sich Angela Merkel dem Thema Europa. Wie immer erwarten die Europäer viel von Deutschland, doch ob Angela Merkel tatsächlich in die Riege der großen Bundeskanzler aufgenommen werden wird, hängt vor allem davon ab, was mit der Union geschieht.

Veröffentlicht am 18 Dezember 2013 um 16:58

Mit dem Mangel an Pomp und Zeremoniell, der die deutsche Politik auszeichnet, wurden die Bundesminister der GroKo – die Abkürzung für Große Koalition, die bereits zum Wort des Jahres gekürt wurde – einzeln vom Bundestagspräsidenten vereidigt. Zuvor hatte Bundespräsident Joachim Gauck der Bundeskanzlerin in einer kurzen und nicht minder prunklosen Audienz seinen offiziellen Segen erteilt. Angela Merkel beginnt ihre dritte Kanzlerschaft also mit sehr wenig Gepräge. Sie liegt zwei Legislaturperioden hinter Konrad Adenauer und Helmut Kohl, hat ein Mandat mehr als Gerhardt Schröder und war schon so lang im Amt wie Helmut Schmidt.

Wird diese Politikerin aus dem Osten in die Galerie der großen Bundeskanzler aufgenommen? Viel hängt wohl davon ab, was mit der Union geschieht, die sich mit dem anmaßenden Titel Europa schmückt. Als Angela Merkel 2005 ihr Amt antrat, behauptete die EU noch, dass ihr Name mit Wohlstand und Frieden verbunden wäre. Die Pax Europaea ignorierte jedoch die vielen Kriege, die die Mitglieder des neuen Europas als Kolonialstaaten bis zur Integration führten und auch noch heute führen, und übersah sogar den Balkankonflikt, der vor aller Augen auf europäischem Boden stattfand. Dem Wohlstand ging es nicht besser. Er ist ganz einfach verschwunden.

Kluft statt Mythen

Europa hat seine beiden Gründungsmythen verloren. An ihrer Stelle ist eine Kluft getreten. Europa war schon immer gespalten, aber jetzt ist die Spaltung, die den Kontinent in verschiedene Kategorien unterteilt, sichtbar geworden. An der Spitze steht die Kategorie der Länder, die vom Euro profitieren, die Austerität verteidigen und die vollständige Abdeckung der Bankschulden verlangen. Frankreich vertritt eine eigene Kategorie. Dann kommt die Kategorie der krisengebeutelten Länder wie Portugal, Italien, Spanien, Slowenien, Irland und Zypern. Und schließlich die Kategorie der todgeweihten, gedemütigten Staaten an der Peripherie, die von Griechenland über Rumänien und Albanien bis nach Bulgarien reicht.

[[Dieses gespaltene Europa wird die dritte Amtszeit von Angela Merkel benoten]]. Sie beginnt mit einer Koalitionsregierung, die ihr ergeben ist, einer überwältigenden Mehrheit im Bundestag, einer sehr kleinen Opposition und einer zwar nicht sehr klaren, jedoch stabilen sozioökonomischen Situation, besonders wenn man sie mit der Lage in den meisten anderen europäischen Ländern vergleicht.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Mögliche Überraschungen

Es wäre töricht zu behaupten, dass es in diesem Umfeld keine Überraschungen geben könne. Auch wenn das 185 Seiten starke Koalitionsabkommen der Union mit den Sozialdemokraten, deren Spitzenpolitiker bei der Wahl im September haushoch geschlagen wurden, die sich aber sehr über ihre neuen Ministerstühle freuen, das anzudeuten scheint. Zeitgeschichte wird nicht in Übereinkünften festgeschrieben.

[[Besonders in Krisenzeiten müssen Regierungschefs mit unerwarteten Wendungen rechnen]]. Angela Merkel möchte einen Kurs einschlagen, der Wind kann jedoch jederzeit drehen und sie an andere Gestade treiben. Europa steckt nicht nur im Westen in der Krise. Im Osten brütet ein kalter Krieg mit Russland. Die EU – und vor allem Deutschland – scheint die Ukraine für ihren Hinterhof zu halten, macht den russischen Energiekonzernen das Leben schwer und reizt den Moskauer Bären über die NATO mit allen möglichen militärischen Provokationen. So werden die westlichen Raketenabwehrsysteme, die vor einem Angriff des Irans schützen sollen, nicht abgebaut, obwohl sich die Lage entspannt hat. Russland hat im Gegenzug bereits Raketen im Baltikum stationiert. Schließlich sucht man im eben geschlossenen deutschen Koalitionsabkommen vergeblich nach der Forderung, die nordamerikanischen Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen.

Angela Merkel und Europa

Reformen, europäische Integration und Bankenunion

Am Tag nach ihrer dritten Vereidigung als Bundeskanzlerin widmete Angela Merkel ihre Regierungserklärung Europa. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, forderte Merkel...

...von den anderen EU-Mitgliedern stärkere Anstrengungen, um die Reformversprechen in die Tat umzusetzen. [...] Am Vortag des EU-Gipfeltreffens in Brüssel betonte sie des Weiteren, dass die Zukunft der Europäischen Einigung ohne Änderung der Europäischen Verträge nicht gewährleistet werden könne. „Konstruktionsmängel“ müssten „behoben werden“, so die Kanzlerin mit Blick auf die Neuregelungen bei der Bankenaufsicht. Deutschland wolle in Europa weiter seine „verantwortungsvolle und integrationsfördernde Rolle” wahrnehmen. Jedoch warnte die Kanzlerin die EU-Kommission vor einem zu scharfen Vorgehen gegen die Subventionen des Ökostroms für deutsche Unternehmen.

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema