Grrr. Der türkische Regierungschef Tayyip Erdogan im Parlament in Ankara.

Der nicht mehr so nette Nachbar

In Deutschland demonstriert der türkische Premier das Selbstvertrauen seines Landes. Gestärkt von einer boomenden Wirtschaft und einer wachsenden Modellrolle für aufstrebende arabische Demokratien, hat die Türkei die EU immer weniger nötig, schreibt die Frankfurter Rundschau.

Veröffentlicht am 2 März 2011 um 15:25
Grrr. Der türkische Regierungschef Tayyip Erdogan im Parlament in Ankara.

Tayyip Erdogan in seiner Paraderolle: als Ministerpräsident aller Türken – selbst wenn sie schon in der zweiten Generation die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. So trat Erdogan in Düsseldorf vor 10000 türkischstämmigen Migranten auf. Bei einer ähnlichen Massenkundgebung vor drei Jahren in Köln hatte der Premier für Kontroversen gesorgt, als er „Assimilierung“ ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ nannte. Der Satz fiel jetzt wörtlich wieder, ergänzt allerdings um die Klarstellung: „Ich sage Ja zur Integration.“

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Aus der Türkei

Harte Bandagen

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In einer Ansprache in Düsseldorf am 27. Februar sagte der türkische Ministerpräsident Erdogan in Gegenwart von Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Wenn sie die Türkei nicht dabeihaben wollen, dann sollten sie das offen sagen ... und dann kümmern wir uns um unsere eigenen Angelegenheiten und werden sie nicht weiter behelligen. Ich habe keine Hintergedanken und ich drücke mich deutlich aus ... Haltet uns nicht hin ... Wir sollten uns gegenseitig nicht hinhalten.“

„Die harten Worte der Türkei gegenüber der Europäischen Union, mit denen die Regierung wohl politische Unterstützung gewinnen will, könnten auch das Vertrauen der Öffentlichkeit auf die Idee des EU-Beitritts unterhöhlen“, schreibt Hürriyet. „Anstatt die schwierigen Beziehungen zu kitten und darauf zu warten, dass sich die heutigen politischen Aussichten verbessern, tragen solche nachdrücklichen Aussagen, die die Beziehungen noch erschweren, nicht zum beabsichtigten Ziel [der EU-Mitgliedschaft] bei“, zitiert die türkische Tageszeitung den EU-Experten Sinan Ülgen.

Hürriyet fügt hinzu, dass „manche Beobachter glauben, dass derartige Erklärungen nicht nur eine innenpolitische Taktik im Hinblick auf die Parlamentswahlen vom 12. Juni sind, sondern auch Wegbereiter, damit die Türkei die EU-Bewerbung in der Zukunft abbricht.“ „Die Türkei, die von der EU immer als unqualifizierter Schüler angesehen wurde, ist heute ein Land, das Strategien entwickeln kann und im Nahen Osten als Vorbild hochgehalten wird. Dies könnte sowohl der Regierung als auch der türkischen Öffentlichkeit die Oberhand geben, um in der kommenden Zeit die EU zu konfrontieren“, meint Ceren Mutuş, eine andere EU-Expertin.

„Dreizehn Kapitel wurden in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eröffnet“, erinnert Hürriyet. Paris blockiert die Öffnung von fünf weiteren Kapiteln, während Brüssel acht Kapitel eingefroren hat, nachdem Ankara seine Häfen nicht öffnete. Damit bleiben nur noch drei Kapitel, die nach Angaben der türkischen Beamten nicht ‚politisch vorbelastet’ sind, doch Ankara ist nicht geneigt, die Richtwerte zu erfüllen, die zur Öffnung der Kapitel über Wettbewerb, Sozialpolitik und öffentliche Auftragsvergabe nötig sind.“

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