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Ost und Süd kämpfen ums Geld

Während Europa einen Plan für Wirtschaftshilfe an Nordafrikas Staaten im Umbruch ausarbeitet, werden in manchen Mitgliedsländern Stimmen laut: die östliche Nachbarschaft, vor allem der Kaukasus, darf nicht vergessen werden.

Veröffentlicht am 9 März 2011 um 15:59

Wer hat mehr Anspruch auf Europas Geld? Die arabischen Revolutionäre oder die osteuropäische Opposition? Eine Diskussion, die die EU-Mitglieder des Ostens und des Südens spaltet. Ende der Woche werden die EU-Minister versuchen, den Streit zu entschärfen. Der Vorschlag von sechs EU-Staaten Südeuropas, einen Teil der EU-Fonds für die osteuropäischen auf die südlichen Nachbarn zu übertragen, hat in den mitteleuropäischen Hauptstädten des Ostens für Unruhe gesorgt. Frankreich, Spanien, Griechenland, Slowenien, Zypern und Malta meinen, dass es „nicht gerechtfertigt“ sei, dass Ägypten nur eine Hilfe in Höhe von 1,80 Euro pro Einwohner bekommt, Tunesien nur 7, die Republik Moldau aber 25 Euro pro Einwohner. Zudem ist der Topf der Länder des Südens quasi leer.

Die EU-Länder des Mittelmeers tragen mit den Flüchtlingsströmen, die die arabischen Revolutionen in Gang brachten, die schwerste Last. Was dort geschieht, ist für Europa von entscheidender Bedeutung, argumentieren die Länder des Südens und ihre Verbündeten. Das gilt auch für das, was an unseren Ostgrenzen passiert, halten die zentraleuropäischen Länder dagegen, die die Zahlungen an den Süden anfechten. Sie weisen darauf hin, dass an Europas Ostflanke, mehrere „schlafende Konflikte“ für konstante Spannungen in der Region sorgen. Auf dem Internationalen Sicherheitsforum von Bratislava letzte Woche zeigte sich, wie überflüssig die überwältigende Angst der ex-kommunistischen EU-Länder vor Russland ist.

Die Sorgen der mittel- und osteuropäischen Nachbarn

Der Krieg zwischen Russland und Georgien um Südossetien haben ein schweres Trauma verursacht. „Und bald wird der Staat Bergkarabach explodieren“ fürchtet Oksana Antonenko vom International Institute for Strategic Studies in London. Sie sieht dort die Vorzeichen dessen, was in Südossetien passiert ist. Auch die Regimes in Zentralasien sind gefährdet. „Große Gefahren lauern in der Region, vor allem wenn die amerikanischen Truppen aus Afghanistan abgezogen werden. Ich bin sehr pessimistisch“, sagt sie. Die Außenminister Georgiens und der Republik Moldau waren beim Forum voller Lob über die europäischen Beihilfen zur Modernisierung ihrer Länder. Der ungarische Außenminister Janos Martonyi hat sich auch schon auf seine Kollegen aus dem Süden eingeschossen: „Die Hilfe für den Süden darf nicht auf Kosten des Ostens sein.“

Hiermit ist der Ton für die Sitzung der Außenminister am Donnerstag gegeben. Der EU-Kommissar für die Nachbarschaftspolitikder Union Stefan Füle versuchte, die Mitteleuropäer zu beruhigen. „Manche meinen, dass die EU ihre Anstrengungen auf den Süden konzentrieren solle. Nein, unser Engagement für den Osten bleibt unverändert.“ Innerhalb des EU-Haushalts ist es nicht simpel Gelder einer Budget-Linie auf eine andere zu übertragen. „Dennoch haben wir zusätzliche 17 Millionen Euro für Tunesien gefunden. Wir untersuchen darüber hinaus, wie der Umschlag von 80 Millionen Euro für den Zeitraum 2007-2013 effektiver ausgegeben werden kann. Für Ägypten sind die Überlegungen noch nicht abgeschlossen, doch werden wir mit den Währungsinstitutionen einen neuen Ansatz erarbeiten“ erklärte Stefan Füle.

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„Mehr für mehr.“ Der neue Slogan der europäischen Nachbarschaftspolitik

Die EU-Nachbarschaftspolitik ist jedoch mit mehr als nur Geldproblemen konfrontiert. Die beiden Pole passen nicht in denselben Stecker. In der arabischen Welt wurden die Regime unterstützt, damit Öl fließt und Glück suchende Zuwanderer außen vor bleiben. Im Osten galten die Hilfen vor allem der Zivilgesellschaft und der politischen Opposition. Dabei ähneln die Länder des Ostens, in denen die Demokratie niedergeht, wie beispielsweise Weißrussland, immer mehr den Ländern des Südens vor den Revolutionen. Jüngst entschuldigte sich Stefan Füle ausdrücklich für die jahrelange Unterstützung der Diktatoren durch die EU.

In Zukunft muss es also anders werden. Die EU-Nachbarschaftspolitik muss ein Instrument werden, das sich ein konkretes Ziel setzt. Nur welches Ziel? Das sei heute nicht ganz klar, gibt Füle zu. EU-Mitgliedschaft? Zugang zum europäischen Markt? Oder einfach sicherstellen, dass die Nachbarn keine Bedrohung für die EU-Institutionen sind? Des Weiteren müssen die Hilfen der neuen Nachbarschaftspolitik nur noch nach bestimmten Kriterien zugesprochen werden. „Wir brauchen klare Ziele wie Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, gute Regierungsführung oder Hilfe beim Kampf gegen den Terrorismus. Je mehr ein Partner diese Ziele verfolgt, desto mehr Hilfen bekommt er.“ Der neue Slogan der europäischen Nachbarschaftspolitik lautet: „Mehr für mehr.“

Übersetzung von Jörg Stickan

Demokratie

Die EU stellt ihren Nordafrikaplan vor

Am 8. März stellte Kommissionspräsident José Manuel Barroso einen „Plan über sechs Milliarden Euro für die Demokratisierung Nordafrikas“ vor, wie El País berichtet. Brüssel schlägt „einen demokratischen Ansatz“ für seine Beziehungen mit den Ländern südlich des Mittelmeers vor, stellt die spanische Tageszeitung fest, welche die Meinung vertritt, Europa sei „moralisch dazu gezwungen“, sein heimliches Einverständnis mit den autoritären Regimes der Region nun „abzubüßen“.

Das Instrument, um diese Ambitionen durchzuführen, ist die „Partnerschaft für Demokratie und gemeinsamen Wohlstand“, deren Einrichtung am 11. März während des europäischen Gipfels besprochen werden soll. Ein Budget von sechs Milliarden Euro ist vorgesehen, vorgestreckt von der Europäischen Investitionsbank, sowie die Erweiterung der Zuständigkeit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) auf den Mittelmeerraum. „Die Hilfsgelder werden an entschiedene Fortschritte in Menschenrechtsbelangen und Demokratie gekoppelt sein“, erklärt El País.

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