Anti-Gaddafi-Demonstration in Sofia, 26. Februar 2011

Auch wir wollen Gaddafi an den Kragen

Sofia hat die Intervention in Libyen als „militärisches Abenteuer“ bezeichnet. Dabei gibt es für Bulgarien zahlreiche Gründe, den Sturz Gaddafis zu befürworten und sich den wahren Freunden anzuschließen, meint eine auflagenstarke Tageszeitung aus Sofia.

Veröffentlicht am 23 März 2011 um 16:05
Anti-Gaddafi-Demonstration in Sofia, 26. Februar 2011

Wenn der empfindliche deutsche Außenminister Guido Westerwelle erklärt, dass sein Land sich nicht am Krieg in Nordafrika beteiligen wolle, kann man das nachvollziehen. Letztlich kommen da schmerzhafte Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg hoch, unter anderem die Niederlage der Truppen von General Rommel in der libyschen Wüste.

Ein Trauma, das Frau Merkel — aber auch die Deutschen insgesamt — teilweise entschuldigt, wenn sie in einem für Europa entscheidenden Augenblick beschließen, sich nicht der Koalition gegen Gaddafi anzuschließen.

Bulgariens Haltung hingegen ist mit nichts zu entschuldigen. Warum hat der bulgarische Premier die Operation als ein „militärisches Abenteuer mit dem erklärten Ziel der Kontrolle über Öl- und Gasreserven“ bezeichnet, wo sie doch ohne eine Gegenstimme von den Vereinten Nationen beschlossen wurde? Ehrlich gesagt, die Schläge gegen das Gaddafi-Regime sollten von den bulgarischen Behörden mit mehr Zustimmung aufgenommen werden.

Keine Gnade für den Satrap mit dem Kokaïn-Blick!

Unser Land hat mehr Gründe als jedes andere, diesem Satrap an den Kragen gehen zu wollen. Acht Jahre lang hat er fünf unschuldige Frauen gefoltert 1999 wurden fünf bulgarische Krankenschwestern unter dem Vorwurf verhaftet, libysche Kinder vorsätzlich mit HIV infiziert zu haben. Sie wurden zunächst zum Tod verurteilt und kamen 2007 schließlich frei und hintereinander drei Regierungen in Sofia zum Narren gehalten.

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In diesem Krieg dürfen wir uns nur auf einer Seite engagieren: der Seite der Gerechtigkeit. Und sollten den Mut der westlichen Nationen begrüßen, die nach langen Jahren des schlechten Gewissens und der unsäglichen Deals endlich ihre Widersprüche überwunden haben und es dem Oberst mit gleicher Münze heimzahlen. Keine Gnade für den Satrap mit dem Kokaïn-Blick! Gaddafi ist am Ende und Libyen wird nicht mehr dasselbe Land sein.

Stellen wir uns nicht dumm!

Es ist Zeit für uns, Frankreich, Großbritannien und die USA zu unterstützen, nachdem wir in zwei Weltkriegen (und dem Kalten Krieg) jedes Mal auf der falschen Seite gestanden haben. Unser Heil findet sich nicht in Berlin oder Moskau — und die Wahrheit noch weniger. Vergessen wir nicht, dass nicht Ludmilla Putin die fünf zum Tode verurteilten Krankenschwestern aus Libyen herausgeholt hat, sondern Madame Sarkozy Cécilia, die ehemalige Ehefrau des französischen Präsidenten. Sie war es, die sie in einem Flieger der Französischen Republik heil nach Hause brachte.

Wenn wir noch lange weiter zögern, wird es uns ergehen wie Buridans Esel, der gleichweit von einem Eimer Wasser und einem Eimer Hafer entfernt stand. Da das arme Tier sich nicht entscheiden konnte, verhungerte und verdurstete es. Dies Gleichnis wird möglicherweise fälschlich Jean Buridan 1292-1363 zugeschrieben, einem französischen Philosophen und Apostel des moralischen Determinismus, aber seine Theorie verdient dennoch unser ganzes Augenmerk. „Außer im Falle von Unwissenheit oder Verlegenheit, muss sich ein Mensch, der vor zwei Möglichkeiten steht, immer für das größere Gut entscheiden.“ Also bitte: stellen wir uns nicht dumm! (js)

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