"Dieses Ergebnis ist dem finanziellen Einsturz des Landes zu verschreiben. Und Regierungschefin Johanna Sigurdardottir hatte eifrig Propaganda gemacht", kommentiert der den Neuigkeiten aus Reyjavik zujubelnde Figaro.
Aufgrund der Vereinbarungen zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), welche die Insel in den Europäischen Binnenmarkt integriert haben, ohne ihr aber in den EU-Institutionen eine Vertretung zu verschaffen, sei Island faktisch eigentlich ein Mitglied der Union, schreibt die belgische Tageszeitung Le Soir und fragt sich, ob Island nicht von einer zügigen Integration profitieren könnte. "Die Verhandlungen könnten schnell abgeschlossen werden", meint die Zeitung. In Brüssel scheinen die Zeichen gut zu stehen. Wie es die Financial Times berichtet, sieht Präsident José Manuel Barroso in der isländischen Abstimmung einen Beweis für die "Vitalität der europäischen Integration" und die "Hoffnung, die Europa verkörpert".
Wie es auch sei, das relativ knappe Ergebnis von 33 Ja- und 28 Nein-Stimmen "spricht Bände über den ungewissen Sinneswandel dieser Isländer auf dem Weg nach Brüssel", schreibt Adriana Cerretelli in dem italienischen Tagesblatt Il Sole 24 Ore. Ihre Worte hallen auch beim isländischen Akademiker Eirikur Bergmann im Guardian nach. Der Beitritt und die Einführung des Euros würden "Islands winzige Währung, die Krone, sicher stabilisieren", jedoch wird das auch nichts an dem weiterhin bestehenden heiklen Problem der Schwindel erregenden isländischen Schulden ändern.
Die kürzlich mit den Niederlanden und Großbritannien getroffene Icesave Vereinbarung, die den isländischen Steuerzahler dazu verpflichtet, 2,3 Milliarden Euro an britische und niederländische Investoren zurückzuzahlen, die beim Dahinschmelzen einer der isländischen Hausbanken zu Schaden kamen, hat die Isländer ganz besonders verletzt. Bergmann betont, dass dies mehr ist, "als beispielsweise die Deutschen nach dem Versailler Vertrag zu zahlen verpflichtet wurden". "Hierzulande glaubt man weit und breit, dass diese schlecht aufgenommene Vereinbarung das Ergebnis isländischer Amateure ist, die auf gewitzte und durchtriebene britische und niederländische Fachleute stoßen." Diese Vereinbarung, über die im Parlament abgestimmt werden sollte, hätte man auch abweisen können. Das hätte Islands EU-Antrag aber komplizierter gemacht.
Allerdings ist es noch nicht zu Ende. Während Le Soir sich sicher ist, dass Reykjavik "Kroatien den Posten streitig machen" wird, ruft die FT auf, Vorsicht walten zu lassen, und scheint sich sicher zu sein, dass der Beitritt aufgrund der noch immer mit Slowenien ausgetragenen Streitigkeiten um die Grenze aufgehalten wird. "Obwohl EU-Recht schon in Island Gültigkeit hat, werden die verbleibenden Verhandlungen schwierig werden", schreibt die Zeitung und führt beispielhaft die Verhandlungen bezüglich der Fischereiwirtschaft als hauptsächliches Hindernis an. "Unangebracht sind vor allem die Gespräche, die von der sich rasch vollziehenden Mitgliedschaft Islands handeln." Und auch wenn die Hürden auf dem Weg zum EU-Beitritt nicht so bedeutend sind wie diejenigen der Türkei, "so steht in vertraulichen Kreisen eigentlich fest, dass Island keinesfalls vor Kroatien beitreten wird."
Nichtsdestotrotz muss die Zustimmung aus Brüssel dennoch erst einmal Islands 180.000 Personen starker Wählerschaft vorgelegt werden, die mithilfe eines Referendums über den Beitritt abstimmen wird. Il Sole weist auf eine jüngst durchgeführte Meinungsumfrage hin, in der die Zustimmung der Bürger zu EU-Beitrittsverhandlungen bei 61 % lag. "Dennoch kann man nur schwerlich damit rechnen, dass die Stimmung in drei Jahren, wenn die Verhandlungen einmal vorbei sein werden, noch immer die Gleiche sein wird." Laut dem Figaro ergab die gleiche Meinungsumfrage, dass die Isländer sich "50 zu 50 spalten, wenn es um eine aktuelle Mitgliedschaft geht."
Alles in allem steht die Zukunft dieser stolzen unabhängigen Nation wohl in den Sternen. Le Soir schlussfolgert, dass "Geysire wohl noch nicht zur europäischen Landschaft gehören". Wie die FT es nahelegt, ist Vieles davon abhängig, ob Brüssel sich Island gegenüber wohlwollend zeigen wird. "Die Isländer sollten nicht ihren Atem anhalten", schreibt sie, "aber Europa sollte auch nicht hinter ihr herschlurfen".