William Blacker (Bild: Romania Libera)

Härr Willjamm - Schachspielen in Transsylvanien

Erst verliebte er sich in die Landschaft, die ihn an Romane aus dem 19. Jahrhundert erinnerte, dann in eine Zigeunerin. Der britische Journalist William Blacker lebt sechs Monate im Jahr unter transsylvanischen Bauern. Porträt eines Mannes zwischen zwei Welten.

Veröffentlicht am 21 Juli 2009 um 14:42
William Blacker (Bild: Romania Libera)

In einem Dorf in Transsylvanien, unweit von Schäßburg, treffen sich jeden Abend die Menschen in der einzigen Kneipe des Orts und warten, dass das Vieh von den Weiden zurückkommt. Rumänen, ein paar Siebenbürger Sachsen und mehrere Roma haben es sich auf leeren Bierkästen gemütlich gemacht. Ein paar Zigeunermädchen tanzen auf eine von fern herklingende Melodie. Plötzlich hören die Kleinen auf zu spielen und laufen einem Mann entgegen, der auf dem Fahrrad näher kommt. "Härr Willjamm, Härr Willjamm !!!" Der Mann mit weißer Mütze und runder Brille lächelt sie an. "Der Engländer geht zu seiner Zigeunerin", hört man es von den Dorfbewohnern herüberraunen. Er wurde zwar vor 46 Jahren in Südengland geboren, doch hat er heute in Transsylvanien, eine Gegend, in die ihn der Zufall führte, seine Wurzeln geschlagen. Seit neun Jahren lebt er hier und hat ein dreieinhalbjähriges Kind mit einem jungen Zigeunermädchen des Dorfes.

Er gehört seit langem zum Ort und spricht ein fast perfektes Rumänisch. Ein Tag auf dem Lande hier ist völlig anders als bei seinen Freunden in England. Er arbeitet auf dem Feld, mäht mit einer Sense oder renoviert den Putz der Fassaden der alten sächsischen Häuser. Abends spielt er mit den Alten des Dorfs Schach. Manchmal besucht Blacker seine Ex-Freundin, Marischka, die junge Zigeunerin, für die er hier hergezogen ist. "Als ich aus England wiederkam, war sie schwanger. Zuerst konnte ich nicht glauben, dass es mein Kind war. Aber man sieht ja: wir gleichen uns wie ein Ei dem anderen", sagt William und nimmt Constantin in den Arm, der das Lächeln und die blauen Augen seines Vater geerbt hat. Der Kleine lebt bei seiner Mutter, im Haus einer Familie von Zigeunermusikern, nur einen Katzensprung vom Haus Blackers entfernt.

Von Berlin nach Sathmar

"Es war nur ein paar Tage nach der Dezemberrevolution von 1989, dass ich das erste Mal rumänischen Boden betrat. Ich hatte England verlassen, um nach Berlin zu reisen. Die Mauer war gerade gefallen", erzählt der Brite. Die Fernsehnachrichten von der rumänischen Revolution und die Lektüre über die bemalten Klosterkirchen haben ihn dann weiter gen Osten gezogen. Er durchquerte die Tschechoslowakei, Ungarn und von dort ging’s nach Rumänien. Er übernachtete in Sathmar (einer Stadt in der Region Maramures, im Norden des Landes) in einem Hotel ohne Strom. Am nächsten Tag verschlug es ihm vor Staunen die Sprache: "Ich sah Pferdekarren auf dem Rathauslatz. Ich dachte mir, so kann die Welt also auch aussehen." Als Journalist und Schriftsteller standen Indien und Südamerika ganz oben auf seiner Länderliste, doch faszinierte ihn Rumänien wie kein anderes Land. "Ich hatte die Romane von Thomas Hardy und Tolstoi gelesen und als ich nach Rumänien gekommen bin, sagte ich mir: 'Wow, jetzt habe ich genau das vor Augen'".

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Im Jahr 1996 wollte er das Leben der Bauern nicht nur sehen, sondern selber leben. William Blacker zog nach Sathmar "bevor der Westen auch hier hinkommt". Vier Jahre lang lebte er unter den Bauern der Maramures. Er nahm an Hochzeiten, Beerdigungen und Festen teil. Er schlachtete Schweine. "Ich hab gelitten, geweint, gelacht". Doch fühlte sich Blacker vom Lebensstil der transsylvanischen Roma angezogen. In seinem soeben in Großbritannien erschienenen Buch "Along the Enchanted Way: A Romanian Story" beschreibt er das Lebensprinzip der Zigeuner als ein "dolce far niente". Menschen, die meinen, dass das Leben zu kurz sei, um sich zu Tode zu schuften.

Sein Leben im Dorf Halma (ein erfundener Name im Buch) klingt manchmal wie eine Fernsehserie. Er schreibt ein Pamphlet über die dramatische Situation der sächsischen Häuser, die die deutschsprachige Bevölkerung in den neunziger Jahren verlassen hat. Er erreichte, dass sie renoviert wurden. Damals leitete er die Mihai-Eminescu-Stiftung, die vom Prinz Charles finanziert wurde. Später erst lernte er Marischka kennen, und sie zogen in ein sächsisches Haus. Es war unwichtig, dass Marischka in der fünften Klasse die Schule abgebrochen und er ein Diplom einer britischen Prestige-Universität in der Tasche hatte. Er überredete sie zum Lesen. "Ich gab ihr eine rumänische Übersetzung von 'Stolz und Vorurteil'. Ein paar Tage später machte sie dann schon Bemerkungen wie 'Der Darcy ist aber ein arroganter Kerl'. Doch je mehr sie las, umso dünner wurde der Band. Sie benutzte die gelesenen Seiten, zum Feuer machen!"

Marischka und William haben nie geheiratet. Doch machte ihnen die Boshaftigkeit mancher rumänischer Dorfbewohner zu schaffen. Sie wollten nicht, dass er sich "mit dem Abschaum der Gesellschaf" einlässt. Heute scheint das alles vergessen. Man redet nur Gutes über ihn. "Wissen Sie, er ist ein wunderbarer Mann. Er hat nie irgendeinen Argwohn gegenüber den Roma gehabt", sagt Marischka.

Heute, 20 Jahre später, erscheint niemanden seine Wahl, in ein exkommunistisches Land zu ziehen, exzentrisch. Manchmal fragt sich Blacker, wie das Leben seines Sohnes bei den Roma sein wird: "Mein Sohn ist halb Zigeuner, halb Engländer. Ich bin glücklich, dass er hier lebt. Bis jetzt." Er erinnert sich an die Reaktion seiner Eltern: "Sie waren nicht gerade haushoch erfreut. Ich war 30 und sie wollten, dass ich einen anständigen Job habe. Ich musste ihnen x-mal erklären, dass ich mich hier ganz einfach wohl fühle. Es ist genau der richtige Ort für mich. Meine Kindheit auf dem Land in Südengland ist vielleicht eine Erklärung", denkt er. "Ich wollte einfach wieder an einem schönen Plätzchen wohnen."

IDENTITÄT

Roma werden Indoroma

Anfang August findet das traditionelle Treffen der Roma, die alljährliche Versammlung der rumänischen Roma in Herrmannstadt, unter der Schirmherrschaft des "Königs der Roma", Florin Cioaba, statt. "Es wird die Gelegenheit sein, über einen Pass für die königstreuen Gruppen und über die Namensänderung zu reden", berichtet Evenimentul Zilei.

Damit "die Roma nicht mit Kriminellen gleichgesetzt werden", hat Cioaba ein Projekt erarbeitet mit einer Verfassung, einem neuen Namen, die Indoroma, und einem Pass. "Ich will das schlechte Image unseres Volks aufputzen", erklärt er. "Mit dem neuen Namen wird man zwischen Rumänen und Roma unterschieden können. Und: wir unterstreichen unsere indische Abstammung".

Das Treffen dient dazu, über den künftigen Pass der Roma abzustimmen. "Biometrisch, in Schweden hergestellt und unfälschbar", so die Deklaration des Königs. "Es ist gut, dass wir einen Pass haben. Wir Roma sind Handwerker. Und jene, die Delikte begehen schaden unserem Image", erklärt Cioaba.

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