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Berlin trägt den Euro zu schnell zu Grabe

Ein von der griechischen Flagge bedeckter Sarg der Einheitswährung. Mit diesem Bild enthülle Der Spiegel das geheime Ziel der deutschen Politik: Die Vormachtstellung in Europa. Das zumindest meint die Tageszeitung To Vima aus Athen.

Veröffentlicht am 20 Juni 2011 um 14:12

Im Gegensatz zum geschmacklos-provokativen Fingerzeig der Venus von Milo [2010 auf der Titelseite des Magazins Focus] ist die Titelseite der jüngsten Spiegel-Ausgabe zwar anstößig, enthüllt aber die geheimen Absichten und Ziele der deutschen Hegemonie für Griechenland und den Rest Europas.

Wenige Tage nachdem der französische Präsident Nicolas Sarkozy Bundeskanzlerin Angela Merkel erstmals zurechtgewiesen und der amerikanische Präsident Barack Obama Druck ausgeübt hatte, zeigt diese skandalöse Titelseite einen von der griechischen Flagge bedeckten Sarg, in dem die Einheitswährung ruht.

Selbst wenn es sich dabei nicht um die offizielle Stimme aus Berlin handelt, so gibt dieses Titelblatt doch preis, was ein Teil der deutschen Führungsschicht, die zu der Leserschaft des Magazins gehört, insgeheim denkt: Deutschland möchte Griechenland nicht noch einmal helfen.

Erstmals unter den „Argumenten“ im Spiegel-Artikel finden sich angebliche deutsche Wahrheiten: Die Wirtschaftssysteme der Eurozone können aufgrund ihrer geld- und wirtschaftspolitischen Strukturunterschiede nicht in Übereinstimmung gebracht werden. Diese Schieflage verschärfe sich derzeit und gefährde laut dem Magazin den Euro und ganz Europa.

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Egoistische Politik, die Völker zerstört

Dass dafür allerdings nicht nur die griechische Schuldenkrise verantwortlich ist, wird natürlich nicht erwähnt. Dafür verantwortlich ist, zu einem großen Teil, dass Deutschland die griechische Krise für eine Generalüberholung der Einheitswährung nutzen möchte.

Berlin hat sich mit einer egoistischen nationalen Politik hervorgetan, welche die Völker und Staaten kaputtmacht, die nicht den gleichen Weg gehen können oder wollen. Wer den deutschen Anforderungen nicht gerecht wird, hat auch kein Anrecht mehr auf die Einheitswährung oder einen Platz in Europa.

Wirklich bemerkenswert ist, dass sich genau in diesem Moment eine unerwartete Stimme aus der Opposition erhebt, die all das umwirft, was wir bisher von der „offiziellen“ Version unserer Kreditgeber wussten: die Äußerungen des Vorsitzenden der Eurogruppe und luxemburgischen Premierministers Jean-Claude Juncker. Gegenüber der belgischen Tageszeitung La Libre Belgique stellt er die von Berlin auferlegten Richtlinien auf den Kopf. Unter anderem erklärt er, dass die Angst vor einer Ausweitung der Destabilisierung, die nicht so sehr von den „Märkten“ als von den Menschen geschürt werde, zu einer Wirklichkeit geworden sei, von der niemand sagen könne, wo, wann und wie sie ein Ende nehmen wird.

Nach dem Druck aus den USA und Frankreich zeigt Deutschland, dass es die Schlacht um die Vormachtstellung in Europa verliert, daran stören sich der Spiegel und seine Leser. In dieser Schlacht ging es in erster Linie um eine verheerende Politik für Griechenland.

Eigentlich wollten die Deutschen dem „Albtraum“ der Länder, die ihnen bei der Beschreitung ihres imperialen Wegs nicht helfen können, ein Ende setzen. Nun sehen sie das Ende des Euro. Aber nicht, weil die Einheitswährung wirklich in den letzten Atemzügen läge, sondern weil das stirbt, was sie aus dem Euro machen wollten.

Ein Ausstieg aus der Eurozone ist vielleicht das Einzige, was ihnen noch bleibt. Vielleicht ist das die versteckte Botschaft dieser anzüglichen Veröffentlichung. Der Spiegel-Titel zeigt den mit der griechischen Flagge zu Grabe getragenen Euro. Die Kleidung der voreiligen Totengräber ist allerdings schwarz, rot und gold. (jh)

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