Vor Nokias Hauptgeschäftsstelle in Helsinki, 2008.

Nokia, ein Klotz am Bein

Handyhersteller Nokia, einst Stolz der Nation, fällt es heute schwer, mit dem Wettbewerb Schritt zu halten. Schuld daran ist ein technologischer Rückstand, der auf das ganze Land übergegriffen hat und inzwischen ein echtes Handicap darstellt.

Veröffentlicht am 22 Juni 2011 um 14:27
Vor Nokias Hauptgeschäftsstelle in Helsinki, 2008.

In Finnland ist eine Kollektivvorstellung tief verankert: In einem Telefonladen kauft man am besten ein Produkt von Nokia, egal welches. Diese Überzeugung hatte verheerende Folgen.

Finnland ist nämlich beim mobilen Internet im Vergleich zu anderen Ländern in den letzten Jahren etwas ins Hintertreffen geraten. So berichtete das Marktforschungsinstitut Zokem kürzlich in unserer Zeitung, dass Finnland im Vergleich zu den USA einen Rückstand von zwei Jahren aufweist.

Dafür ist weitgehend Nokia verantwortlich, denn die Produkte des Unternehmens sind so komplex, dass sie die Finnen vor der Nutzung von Internet und anderer, anspruchsvoller Applikationen zurückschrecken ließen. So hat Nokia den neuen Technologien Grenzen gesetzt, die in Finnland niemand überschritten hat.

Nokia ist ebenfalls für die beschränkte Entwicklung der Telefone und Netze im Land verantwortlich, obwohl das Unternehmen auf diesem Sektor weltweit führend war. Auch ist Nokia nicht unschuldig daran, dass Skype, Spotify und Twitter andernorts gegründet wurden als in Finnland.

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So wie sich das Bild von Nokia im Kollektivbewusstsein Finnlands eintrübt, entwickelt sich die Situation langsam weiter. Inzwischen wagen es die Finnen, Produkte anderer Marken zu wählen und zeigen Interesse an Erfindungen im Zusammenhang mit Internet.

Nokia könnte Finnland einen letzten Gefallen tun und zusammenbrechen

Heutzutage gegründete Internetunternehmen dürfen über Keilaniemi [der Vorort von Helsinki, in dem sich der Sitz von Nokia befindet] hinausschauen. So beispielsweise im Fall [der finnischen Gesellschaft] Rovio, die das Videospiel Angry Birds entwickelte, dass zunächst für Apple eingeführt wurde, bevor es die ganze Welt eroberte.

Die Bedeutung dieses Problems ist nicht zu vernachlässigen, besonders, wenn man davon ausgeht, dass die Neuen Technologien für die Zukunft Finnlands von größerer Bedeutung sein werden als die Industrie. Das bedeutet, dass die Zahl der Personen, deren Kenntnisse der Neuen Technologien sich auf dem aktuellsten Stand befinden, in Finnland zunimmt. Diese Personen werden sich im Hinblick auf die Neuen Technologien nicht an die von Nokia festgesetzten Grenzen halten.

Unterschätzen sollte man die Entwicklungen von Nokia jedoch nicht. Die Gruppe hat die Gründung eines Unternehmensnetzes veranlasst und das Know-how entwickelt, auf dessen Grundlage das „Finnland des Internet“ entstand. Das Unternehmen hat dem Land viel Gutes gebracht, indem es einer der Weltmarktführer des Mobilfunksektors wurde. Vorausgesetzt, die Finnen glauben daran, dass sich der Riese noch erneuern kann, ist das auch tatsächlich möglich.

Am besten wäre es, Nokia würde aus Schutt und Asche wieder auferstehen. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, ist der Weg, der Finnland zu einer Versöhnung mit dem Internet führen würde, bereits klar vorgezeichnet. In diesem Fall könnte Nokia Finnland vielleicht einen letzten Gefallen tun und einfach zusammenbrechen. (ae)

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