Schluss mit den Spielchen

Auf dem Sondergipfel der Eurozone wird sich entscheiden, ob die Griechenlandkrise gelöst werden kann. Dafür sei es höchste Zeit, meint ein Kolumnist aus Athen. Denn die Griechen haben es satt zu tun, was von ihnen verlangt wird, ohne dafür echte Gegenleistungen zu erhalten.

Veröffentlicht am 20 Juli 2011 um 15:39

„Du in orange, komm da raus! Du in grün, versteck Dich!“ Wie die Deutschen das griechische Problem angehen, erinnert ein bisschen an ein Versteckspiel. Nach mehreren Aufforderungen wird sich Angela Merkel schließlich doch zum morgigen EU-Gipfel begeben. Allerdings erklärt sie jede dort zu fällende Entscheidung bereits vorher zu mehr Schein als Sein. Sie sagte sogar, dass es so etwas wie eine Grundsatzlösung für das Problem der griechischen Schulden gar nicht gibt. Zwischen den Zeilen heißt das, dass das Rettungspaket recht dürftig ausfallen wird.

Der Nationalstaat war einer der großen Verlierer der Globalisierung; er hat keine Handlungsfreiheit mehr, wenn Industrieunternehmen ihre Sitze dahin auslagern, wo die Arbeitskräfte billiger und die Umweltstandards flexibler sind. Schlimmer noch: Was soll er tun mit all dem heißen Geld, das an der Börse zirkuliert oder mit den Anleihen auf Achterbahnfahrt? Ganz zu schweigen von den Kreditausfall-Swaps (Credit Default Swaps), die Warren Buffet treffend als wirtschaftliche „Massenvernichtungswaffen“ beschrieben hat.

Seit Monaten sehen wir einer Kraftprobe der EU-Länder gegen die Märkte zu. Letztere zweifeln an der Stabilität der Eurozone, denn eine Währungsunion – so meinen sie – kann ohne eine angemessene Politik nicht überleben. Was mit Griechenland begann und mit Irland und Portugal weiterging, breitet sich nun wie ein Krebsgeschwür in ganz Europa aus.

Mit dem Wirtschafts- und Währungskapitalismus lässt sich nicht spaßen. Sie wollen, dass Europa Stellung bezieht. Das Problem ist nur, dass die Politik es gerne vage und diffus hat, damit sie ihren Worten keine Taten folgen lassen muss. Die Deutschen erklärten zwar oft, sie unterstützen den Euro. Geht es aber um eine konkrete Griechenlandhilfe, fallen ihre Erklärungen wesentlich zaghafter aus. Genauer gesagt: Berlin trödelt seit eineinhalb Jahren. Und seit eineinhalb Monaten spitzt die Lage sich zu.

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Unter massivem Druck musste Papandreous Regierung über ein neues Sparprogramm abstimmen lassen, wofür ihr im Gegenzug ein neuer 125 Milliarden Euro Kredit gewährt wurde, damit wir bis 2015 durchhalten. Der Druck war so stark, dass es fast zu einer Regierung der nationalen Einheit gekommen wäre. Letzten Endes fand nur ein großes Stühlerücken statt. Der Sparplan wurde verabschiedet. Aber auf unseren Kredit warten wir immer noch. Wenn die Europäer uns morgen keine definitive Lösung anbieten, dann hat Europa die Athener Regierung für nichts und wieder nichts einen hohen politischen Preis zahlen lassen.

Wir haben in der Griechenlandkrise einen Punkt erreicht, an dem irgendjemand Verluste hinnehmen muss. Entweder finanzieren uns die Steuerzahler Nordeuropas, oder die Banken und Versicherungen, die unsere Anleihen aufgekauft haben, müssen einen Haircut akzeptieren. So wünscht es Berlin, das sich nach wie vor für die Beteiligung privater Anleger an den Rettungspaketen stark macht. Die Europäische Zentralbank legt ihr Veto ein. Für sie handelt es sich um eine Umschuldung, also de facto um einen Bankrott. Daher wird sie keine griechischen Anleihen akzeptieren, um Athen wieder flüssig zu machen. Darin besteht die Sackgasse. Wie aber unser Finanzminister sagt: Auch die schlimmste Lösung ist eine Lösung. Wir wären hocherfreut, würde Deutschland uns positiv überraschen. (jh)

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