Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Helikopterflug über Kabul, 2007 (AFP)

Die Grenzen der europäischen Soft Power

Heute haben die Afghanen zum zweiten Mal seit 2005 ihre Stimme für die Wahl ihres Präsidenten an den Urnen abgegeben. Dennoch kommt der Friede und die Demokratie nach westlichem Vorbild immer noch nicht richtig voran. Obwohl sie so tun, als spielten sie eine wichtige Rolle, halten sich die europäischen Länder nicht vollständig an ihre Verpflichtungen des NATO-Einsatzes und wenden zum Wiederaufbau nur spärliche Mittel auf.

Veröffentlicht am 20 August 2009 um 17:01
Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Helikopterflug über Kabul, 2007 (AFP)

Der Politologe Klaus Bachmann kritisiert in der polnischen Wochenzeitung Polityka den fehlenden Realismus der europäischen Länder, die Truppen nach Afghanistan geschickt haben. Um der Volksstimmung gerecht zu werden, lehnen sie es ab, die Dinge so zu sehen, wie sie sind: "Heutzutage", sagt er "hat Polen nicht viel mit einem Land gemeinsam, dass im Krieg ist. Ein Land, das sich im Krieg befindet, unterliegt wie zum Beispiel Israel einer Militärzensur oder schränkt wie die USA die Freiheiten der Bürger ein. Nichts dergleichen geschieht in Polen, Großbritannien oder Deutschland. Die deutsche Regierung setzt alles daran, den Afghanistan-Einsatz nicht als Krieg zu bezeichnen und stellt ihn als eine Art Polizeieinsatz dar, wodurch die Illusion entsteht, dass die deutschen Truppen vor allem die afghanische Bevölkerung unterstützen, Schulen bauen und die Rechte der Frauen verteidigen". Bachmann zufolge sei ein Frieden in Afghanistan auch umso schwerer zu erreichen, da das einzige Mittel eine Einigung zu erzielen – nämlich mit den Taliban zu verhandeln, ob es uns gefällt oder nicht – politisch nicht mehr unserer öffentlichen Meinung "verkauft" werden kann. Denn in den letzten acht Jahren "starben hunderte europäischer und amerikanischer Soldaten im Kampf gegen die Taliban".

Dilema Veche zweifelt ebenfalls daran, dass die in Afghanistan angewandte Taktik der EU die beste sei, und bezeichnet die "Unfähigkeit der westlichen Länder, ihren Verpflichtungen nachzukommen" als "traurig". Die Schuld an der aktuellen Situation gibt die rumänische Wochenzeitung vor allem dieser "gesamten Legion von Fürsprechern weichlicher Gedanken, die uns in den Kopf gesetzt haben, dass der afghanische Konflikt und der Wiederaufbau mit Soft Power zu lösen seien. Eine Methode ganz im Sinne des Zeitgeistes, denn unsere Demokratien ziehen es vor, Gelder bereitzustellen, anstatt selbst vor Ort involviert zu werden und Seite an Seite mit den NGO und den anderen Verbünden zu kämpfen", die täglich bei ihrer Arbeit mit den Afghanen in Kontakt kommen. "Man muss das Wunschdenken ablegen, dass man nur auf die sanfte Art mehr erreicht als wenn man hart durchgreift. Es ist Zeit, die Vorgehensweise zu ändern", empfiehlt Dilema Veche. "Denn solange wir so weitermachen, wird der Krieg weitergehen und es werden Menschen sterben. In Wahrheit hat die Europäische Union es noch nicht geschafft, beide Vorgehensarten zu verknüpfen: Im Denken sind wir Gefangene dieser Dichotomie und in administrativer Hinsicht sind uns die Hände durch unsere eigene Bürokratie gebunden."

Europa sei nicht nur in militärischer Hinsicht zurückhaltend, sondern überschlägt sich auch finanziell wenig beim Wiederaufbau von Afghanistan, findet seinerseits Edward Burke in El País. Dieser Forscher der Stiftung für internationale Forschung und des außenpolitischen Dialoges in Madrid meint: "Indem man die Gewaltpolitik weglässt, wird der Stabilisierungsprozess nur länger, schwerer und teurer". Dadurch "sind die Ziele Europas und Großbritanniens in Afghanistan momentan, die Aufrührer in Schach zu halten, anstatt starke und transparente nationale Institutionen aufzubauen." Die von den Westmächten schlecht vorbereiteten Wahlen seien der Beweis hierfür. "Die mageren für Afghanistan von Europa bereitgestellten Geldmittel stellen nicht gerade eine ungeheure Kraftanstrengung dar, um ein westliches Institutionsmodell einzuführen. Von den europäischen Spendern haben nur Großbritannien, Deutschland und die Europäische Kommission Afghanistan mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr für den Aufbau zur Verfügung gestellt. Die anderen haben weniger gegeben, als was sie den kleinen Ländern Lateinamerikas oder Afrikas zukommen lassen. Zwischen 2008 und 2010 hat Großbritannien vorgesehen, weniger als 20 Millionen Pfund (23,43 Millionen Euro) für die Aktivitäten der Regierung und die Unterstützung der Demokratie auszugeben. Und das Versprechen der NATO, einen idealen afghanischen Staat aufzubauen, ist reine Rhetorik". Die Wahrheit ist, schließt Burke, "dass Europa nicht viel zum Aufbau eines afghanischen Staates beiträgt. Wir führen kleine Angriffe gegen die Aufständischen, bei denen vor allem anglo-amerikanische Spezialtruppen zum Einsatz kommen. Gleichzeitig können die Diplomaten und die Entwicklungshelfer aufgrund der von ihren Regierungen auferlegten Handlungsbeschränkungen nicht handeln. Es besteht die Gefahr, dass wir, anstelle ein westliches Modell durchzudrücken, uns zum genauen Gegenteil hinbewegen und dass wir die Ansprüche so niedrig wie möglich schrauben, um eine baldiges Abziehen der europäischen Truppen zu rechtfertigen".

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