„Europa fehlt es verdammt noch mal an Glaubwürdigkeit“

Während Rom und Madrid sich damit abmühen, die Märkte zu beruhigen und von ihrer Kreditwürdigkeit zu überzeugen, meldet die europäische Presse Skepsis an: Sind die 27 Länder und die EU-Institutionen wirklich fähig, sich in der Krise als glaubwürdige Akteure zu behaupten?

Veröffentlicht am 4 August 2011 um 13:24

Genau zehn Tage ist es her, dass sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel versammelten, ein neues Rettungspaket für Griechenland verabschiedeten und so etwas wie einen „europäischen IWF“ entwarfen. Wie Público aus Lissabon erinnert, „legt Europa eine Geschwindigkeit an den Tag, die seiner Größe entspricht: Alles geht nur sehr langsam voran. Und das, was im Juli entschieden wurde, wird erst nach der Sommerpause wirksam (einige Parlamente müssen den in Brüssel verabschiedeten Maßnahmen erst zustimmen).“ „Die Märkte warten [dagegen] nicht: Momentan nähern sich die Zinssätze für die italienischen und spanischen Staatsschulden denjenigen an, die Irland, Griechenland und Portugal dazu gezwungen haben, um externe Hilfe zu bitten.“

Dabei „führt die Spekulation diesen erbitterten Kampf“ nur deshalb, weil „man ihr die Gelegenheit dazu gibt“, anstatt die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen, meint Le Soir. Für die Tageszeitung könne man sich von den Sparmaßnahmen einfach kein Wachstum erhoffen und setze so eindeutig auf das falsche Pferd. Die Folge: „Europa fehlt es verdammt noch mal an Glaubwürdigkeit“. „Den Grund für diese Glaubenskrise“ sieht Le Soir in „der mangelnden Solidarität zwischen den Ländern“.

„Es macht sich politisch einfach bezahlter, wenn man von einem EU-Gipfel zurückkehrt und seinen Wählern mitteilt, dass ihre Interessen zumindest kurzfristig gewahrt werden. Dabei gelingt der Ausweg aus dieser noch langen und schwierigen Krise nur, wenn unerschütterliche Solidaritätsmechanismen geschaffen werden. Beispielsweise eine europäische Schuldenagentur, die Anleihen ausgibt, mit denen die Länder der Eurozone gleichermaßen finanziert würden. Doch setzt das einen neuen Vertrag und die Bereitschaft voraus, einen Teil der Hoheitsgewalt abzugeben. All das wird lang und schmerzhaft, aber unumgänglich sein.“

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„Europa muss handeln, solange es noch die Möglichkeit hat, dass Misstrauen im Zaum zu halten“, meint die Zeitung Les Echos, laut der José Manuel Barroso „alles andere als glaubwürdig“ ist.

Für La Vanguardia ist das vermutlich auch der Grunde dafür, dass die Aussagen des EU-Kommissionspräsidenten vom 3. August „scheinbar nicht sehr brauchbar waren“. (Barroso hatte erklärt, dass die Märkte Spanien und Italien „völlig ungerechtfertigt“ derart behandeln.) Unter dem Titel der „resignierten“ Spanier schätzt der Ökonom Manel Pérez in den Spalten der katalanischen Tageszeitung, dass 2.500 Milliarden Euro benötigt werden, damit ein „europäischer IWF“ sich „auf den Märkten Respekt verschaffen kann“. Bis die Politik „in der Lage ist, zwischen den fordernden Gläubigern und den zahlungsunfähigen Schuldnern zu vermitteln“, kann die BCE „erst einmal Zeit schinden, indem sie heute [4. August] den massiven Kauf von Schuldenpapieren [der in Schwierigkeiten steckenden Länder] ankündigt“, meint Pérez.

An diese Möglichkeit scheint auch De Standaard zu glauben, laut der die Europäische Zentralbank ihren Leitzins in nächster Zeit nicht erhöhen und sich vielmehr „bereit zeigen sollte, Obligationen zu erwerben. Eine schwierige, aber wichtige Übung“ wartet also auf ihren Direktor Jean-Claude Trichet. Schließlich „könnte eine falsch verstandene Botschaft erneut für Unruhe auf den Märkten sorgen und die kommenden Phasen der Rettungspakete noch kostspieliger machen.“ (jh)

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