"Das Baskenland schreit seine Selbstbestimmung". Plakat in Bilbao (spanisches Baskenland). Photo: Metro Centric / Flickr

Tourismus im Fadenkreuz der Irrintzi

Das französische Baskenland entkommt den Attentaten der Nationalisten nicht. Im Gegensatz zu ihren spanischen Kollegen der ETA, die sich gern an Staatssymbolen vergreifen, attackieren die Separatisten viel lieber die Tourismusindustrie, weil diese angeblich die baskische Kultur bedroht.

Veröffentlicht am 8 September 2009 um 12:10
"Das Baskenland schreit seine Selbstbestimmung". Plakat in Bilbao (spanisches Baskenland). Photo: Metro Centric / Flickr

Auf einer riesigen Karte zeigt Arnaud d’Arcanques uns auf dem Golfplatz ein zerstörtes Loch nach dem anderen. "Glücklicherweise sind die Schäden nicht so schlimm, wie wir befürchtet hatten. Uns ist es relativ leicht gelungen, die Löcher zu füllen. Wir mussten nicht einmal einen einzigen Tag schließen." Arnaud von Arcanques ist Manager eines Golfplatzes in Arcanques, einem kleinen Dorf, welches etwa 10 km von dem bekannten französischen Badeort Biarritz entfernt ist. Vor fünfzehn Jahren hat seine Familie das Landgut des Schlosses, welches sie seit über neun Jahrhunderten bewohnt, in einen Golfplatz umbauen lassen.

Irrintzi spricht von touristischer "Invasion"

Zu Beginn des Sommers haben Unbekannte einige Abschnitte der Grünflächen verwüstet. Anfang August bekannte sich die separatistische baskische Bewegung Irrintzi, einer der ETA nahestehende Organisation, zu den Schäden. Um deutlich zu machen, was sie unter "das Baskenland ist nicht zu verkaufen" verstehen, bezeichnen sie die Golfplätze als "Verletzung der baskischen Identität". Der Meinung von Arcanques zufolge handelt es sich um eine Splittergruppe, mit der die Mehrheit der Basken, sowie er selbst, nicht einverstanden ist. "Hier ist es der Tourismus, der uns am Leben hält. Aus welchem Grund sollten wir also die Touristen vertreiben wollen?"

Für die Mitglieder der Irrintzi sind Ausländer, und ganz besonders diejenigen, die aus Großbritannien hierherkommen, eine Gefahr. Ihre Zahl hat sich zudem deutlich erhöht, seit eine Billigfluggesellschaft sich hier angesiedelt hat. "Invasion" oder sogar "Kolonisation" nennt Irrintzi das. Aus diesem Grund richten sich die Attentate der baskischen Nationalisten auf der französischen Seite, im Gegensatz zur ETA in Spanien, nicht nur gegen diejenigen, die gegen die baskische Unabhängigkeit sind, sondern auch gegen den Tourismus. Mehrere Wochenend- und Ferienhäuser, sowie Immobilienagenturen hat es daher getroffen. Zu Beginn des Jahres riet man britischen Touristen sogar, im Baskenland keine Zweitwohnsitze zu erwerben.

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Feind Französisch

Genau das plant aber der 46jährige Vertriebsleiter Mark Bridges aus Manchester. "Es ist so unglaublich schön hier. Und das Wetter ist einfach wunderbar." Ihn stören die Attentate der Irrintzi, auch wenn er ihre Unzufriedenheit "ein bisschen" verstehen kann: "Die Häuserpreise explodieren. Das lässt den einen oder anderen dann natürlich ohnmächtig oder frustriert werden."

Wie der junge 19jährige Baske Jolen es schildert (,der seinen Namen nicht preisgeben möchte), können die Mieten sich im Sommer sogar vervierfachen. "Ich wohne noch immer bei meinen Eltern, aber meine Freunde, die alleine wohnen, können abends nicht ausgehen", berichtet Jolen. Er macht gerade ein Praktikum bei Xiberoko Botza, einem baskischen Radiosender der Kleinstadt Mauléon, der teilweise von den französischen Behörden finanziert wird. Hier sieht man die Attentate der Irrintzi mit anderen Augen: "Es kommt immer darauf an, aus welchem Blickwinkel man die Dinge betrachtet", meint der 28jährige Joznes Etxebarria, der bei Xiberoko Botza als Journalist arbeitet. Er weist darauf hin, dass sie für ihn "keine Terroristen, sondern bewaffnete Kämpfer" sind. "Ich persönlich würde nicht den Weg der Gewalt wählen, aber ich verurteile sie nicht. Letzten Endes kämpfen wir alle für die gleiche Sache: Ein unabhängiges Baskenland."

Für Extebarria ist der größte Feind nicht wirklich der Tourismus, sondern vielmehr die französische Sprache. Auch, wenn es ihr eigentlich darum geht, die baskische Sprache und Kultur zu retten, droht sie vielmehr, diese zu ersticken. "Der Staat stellt viel Geld zur Verfügung, aber die baskische Kultur ist eine typische Volkskultur. Wenn man versucht, sie künstlich am Leben zu erhalten, verwandelt sie sich schnell in ein volkstümliches Affentheater." Dennoch gibt er zu, dass es nur noch wenige Jugendliche gibt, die Baskisch lernen wollen. "Sehr enttäuschend ist das vor allem heute, wo wir endlich die Möglichkeiten dazu haben."

SEPARATISTEN

ETAs kleine Schwester

Bis vor Kurzem richteten sich die Attentate der Irrintzi (in baskischer Sprache "Der Schrei") nur gegen Golfplätze, Ferienhäuser, Immobilienagenturen, Eisenbahnlinien und Büros politischer Parteien. Seit der Gründung der Gruppe 2006 wurden insgesamt 28 Aktionen durchgeführt. Die Gruppe agiert vor allem in Iparralde (im französischen Baskenland), wo sie auf internationalem Niveau von sich reden machte, als der Sternekoch Alain Ducasse entschied, die Region zu verlassen, nachdem man auf sein Restaurant in Ostapé drei Mal einen Bombenanschlag verübt hatte. Kleinigkeiten, verglichen mit den Anschlägen der ETA, der in Spanien innerhalb eines halben Jahrhunderts nicht weniger als 800 Menschen zum Opfer fielen.

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