Ein Helfer verteilt in einer "Caritas"-Suppenküche in Setubal (Portugal) die Mahlzeiten, Mai 2011.

Hahn zu in Europas Suppenküchen?

Jedes Jahr leistet es 18 Millionen Europäern Hilfe. Aber jetzt verweigern sechs Länder, dass Gelder der Gemeinsamen Agrarpolitik in das europäische Nahrungsmittelhilfeprogramm für Bedürftige fließen. Zum 1. Januar droht sein Budget zu schrumpfen, von 480 Millionen auf 114 Millionen Euro. La Libre Belgique ist empört.

Veröffentlicht am 21 September 2011 um 15:15
Ein Helfer verteilt in einer "Caritas"-Suppenküche in Setubal (Portugal) die Mahlzeiten, Mai 2011.

Ihr Standpunkt löst Bestürzung und Unverständnis aus. Offen gesagt ist er unhaltbar. Mit juristischen Spitzfindigkeiten und Scheinargumentenversuchen sechs – wohlhabende und fast durchweg euroskeptische – EU-Mitgliedsstaaten [Deutschland, Großbritannien, Niederlande, Tschechische Republik, Dänemark und Schweden] die 480 Millionen Euro Nahrungsmittelhilfe für die ärmsten Europäer zu blockieren. [Die endgültige Entscheidung soll beim nächsten Treffen der EU-Minister Ende Oktober gefällt werden.]

Wie kann es sein, dass einige Länder mitten in der Eurokrise, und während immer mehr Menschen auf dem alten Kontinent verarmen, eine Politik zunichtemachen, die sich ein Vierteljahrhundert bewährt hat? Dank des europäischen Nahrungsmittelhilfeprogramms für Bedürftige werden jährlich 440.000 Tonnen Lebensmittel in 20 Staaten verteilt (Polen, Italien und Frankreich liegen ganz vorn). Entgegen gängiger Meinung sieht man daran mal wieder, dass Europa auch fähig ist, sich um das Wohl seiner Bevölkerung zu kümmern.

Wer kann heute aber die Lust verspüren, Europäer einer Union zu sein, in der Angela Merkel, David Cameron und andere mit dem Gedanken spielen, Millionen hungernder Menschen den Gürtel enger zu schnallen? Und all das, weil eine mühelos veränderbare “Rechtsgrundlage” für unangemessen erachtet wird, und sich ein jeder am besten selbst um seine Bedürftigen kümmern sollte?

Das Signal ist verheerend für das Image der Europäischen Union und die Glaubwürdigkeit der großartigen Reden ihrer Spitzenpolitiker. In Zeiten wie heute, in denen sich jeder Staat zunehmend sich selbst der Nächste ist, darf an der Solidarität als einem Grundprinzip der europäischen Konstruktion nicht gerüttelt werden. Wer könnte noch von einem Europa träumen, das aussieht wie diese sechs Staaten!

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Aus dem Französischen von Julia Heinemann

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