Martin Schulz: „Presseurop spielt eine grundlegende Rolle”

Veröffentlicht am 10 Dezember 2013 um 10:35

Presseurop soll am 20. Dezember vom Netz gehen. EU-Parlamentspräsident bedauert, dass unser Vertrag mit der EU-Kommission nicht erneuert wird und unterstreicht die entscheidende Rolle, die unsere Seite bei der Information der Bürger kurz vor den Europawahlen spielt.

Die europäische Idee ist eine großartige Idee. Und dennoch leidet Europa. Die Europäer sind neugierig und brauchen Nachrichten. Und dennoch macht eine Medienanstalt nach der anderen zu. Den europäischen Bürgern fehlt es an Informationen über Europa. Und trotzdem verschwinden gerade die Nachrichtenportale, die sich darum bemühen, diese Mängel zu beheben. Dabei stimulieren sie die Debatten über die Herausforderungen unseres Kontinents.

Genau dieses traurige Schicksal scheint nun auch Presseurop zu erleiden. Dabei hat sich das 2009 gegründete und ausgesprochen innovative Nachrichtenportal durch den Dschungel der europäischen Informationswelt gekämpft und sich zweifelsohne seinen ganz eigenen Platz geschaffen. Mehr als 85 Prozent der europäischen Bürger können auf die zehnsprachige Internetseite zugreifen, mit deren Hilfe sie verstehen, wie die europäische, aber auch die internationale Presse tickt.

Und obwohl Presseurop stets die europäischen Probleme und Angelegenheiten der Europäischen Union in den Mittelpunkt rückt, ist es nie zu einer gefügigen Bühne der Institutionen geworden. Ganz im Gegenteil: Presseurop bietet kritische Analysen, zugängliche und objektive Informationen.

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In nur wenigen Jahren ist Presseurop zu einem transnationalen Diskussionsforum herangewachsen, das den Europäern dank eines innovativen Systems der Sofort-Übersetzung sogar die Möglichkeit bietet, sich untereinander in zehn verschiedenen Sprachen auszutauschen. [[Das sollte man sich einmal ganz deutlich bewusst machen: Eine breite Mehrheit der Europäer kann sich über gemeinsame Themen austauschen. Jeder in seiner Sprache. Denn das Nachrichtenportal gewährleistet, dass alle Meinungen übersetzt werden. Auf seine Weise hat Presseurop damit einen europäischen Traum erfüllt!]]

Den richtigen Zeitpunkt für Sparmaßnahmen in der Medienlandschaft wird es ganz sicher nie geben. Aber Presseurop wird seine Arbeit in einem ganz besonders empfindlichen Kontext einstellen müssen: Nur sechs Monate vor der Europawahl ist das Verschwinden eines gesamteuropäischen Nachrichtenportals eine ganz besonders schlechte Nachricht. Zumal sich die Parteien, die den europäischen Werten gegenüber feindlich gesinnt sind, geschworen haben, Europa bei diesem Urnengang auf die schiefe Bahn zu bringen.

Das Ende von Presseurop ist eine überaus schlechte Nachricht. Für unsere Mitbürger, die sich nach Nachrichten und Diskussionen über das europäische Projekt sehnen. Aber auch für die Jugend, die sich vor allem im Internet informiert und die Kommunikation über soziale Netzwerke vorzieht, in denen Presseurop sich als europäisches Nachrichtenportal einen Namen gemacht hat. Aber es ist auch eine außerordentlich schlechte Nachricht für all jene, die für das Überleben der Presse kämpfen. Und letzten Endes ist es ebenfalls eine sehr schlechte Nachricht für unsere Demokratie. Insbesondere zu einem Zeitpunkt, an dem die europäischen Institutionen eine riesige Informations- und Sensibilisierungskampagne finanzieren, mit der für die Europawahl geworben werden soll. Und gleichzeitig sind sie unfähig, dem Internetportal die Hand zu reichen, das sich stets darum bemüht, auf unabhängige Art und Weise über sie zu berichten.

Ich bin keinesfalls dafür, dass öffentliche Einrichtungen Medien bedingungslos und automatisch unterstützen sollten. In einem so außergewöhnlichen Kontext aber, in dem sich die Öffentlichkeit weder wirklich für Europa interessiert, noch sich seiner Aufgaben bewusst ist, und es so etwas wie eine eifrige transeuropäische Neugier eigentlich gar nicht gibt, spielt Presseurop ganz einfach eine zentrale und grundlegende Rolle.

Die Europäische Kommission hat entschieden, die Finanzierung von Presseurop nicht zu verlängern. Als Präsident des Europäischen Parlamentes fällt es nicht in meinen Zuständigkeitsbereich, Entscheidungen der Europäischen Kommission zu ändern. Allerdings empfinde ich es als meine Pflicht, unmissverständlich deutlich zu machen, dass dieser Beschluss zutiefst bedauerlich ist. Der Europäischen Kommission sollte die Wahrung eines unabhängigen, mehrsprachigen und pluralistischen Nachrichtenportals am Herzen liegen. Niemals sollte sie der Auslöser dafür sein, dass eine so ansehnliche gesamteuropäische Stimme zum Schweigen gebracht wird.

Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments

Hier können Sie die Petition „Rettet Presseurop” unterschreiben

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