Die neue Europakarte

Veröffentlicht am 12 Februar 2010 um 15:35

Die vergangene Woche wird in Europa Spuren hinterlassen. Zum ersten Mal haben die 27 beschlossen, einem Mitgliedsland zu helfen, das sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet. Am Sondergipfel vom 11. Februar in Brüssel wurden Griechenland Gewährleistungen entgegengebracht, die nur zustande kommen konnten, weil Deutschland von Frankreich gedrängt die Idee akzeptiert hat, für ein weniger tugendhaftes Land zu zahlen. Es ging um das reine Überleben der Eurozone und somit auf lange Sicht um die Existenz der EU wie wir sie kennen.

In dieser Episode (und in dieser Krise wird es weitere geben) entsteht eine neue Karte der EU. Die Märkte, oder genauer einige ihrer Akteure wie die Spekulationsfonds, sind de facto Gegner der europäischen Integration geworden, weil sie aus der geschwächten Wirtschaft von Ländern wie Griechenland, Spanien und Portugal Profit schlagen wollen. Die Wirtschaftsakteure haben gezeigt, dass sie eine wahre Bedrohung für Europa sein können, da sie nach Gutdünken zuschlagen.

Diejenigen, die man bis jetzt "Randwirtschaften" nannte, sind heute im Zentrum der Besorgnisse. Aus dieser Krise könnte denn ein Ausgleich der Werteschöpfung und der Wirtschaftspraktiken innerhalb der EU entstehen. Nach jahrelanger Verwaltung des Wirtschaftslebens des Eurogebietes, insbesondere durch das Festsetzen der Zinssätze, musste die Europäische Zentralbank das Handeln den Staaten überlassen, weil sie nicht die Kompetenzen hat, in einer Situation wie der Griechenlands einzuschreiten. Nicht alles wird in Frankfurt beschlossen.

Die am 9. Februar vom Parlament eingesetzte Europäische Kommission hatte auf den Unterstützungsplan für Griechenland keinen Einfluss. Auf der Brüsseler Karte bleibt der Rat fest in der Mitte verankert. Da Großbritannien nicht zur Eurozone gehört, wurde London als politische Hauptstadt und Finanzzentrum in doppelter Weise bei allen Entscheidungen, die diese Woche fielen, ausgegrenzt. Die Achse Paris-Berlin hat, durch die Krise gefördert, wieder die Oberhand in Europa gewonnen. Jetzt kann man nur noch abwarten und sehen, was Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, die nicht immer einer Meinung sind, aus dieser Führungsposition machen.

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Die lange verdrängte Idee einer Wirtschaftsregierung tritt wieder in den Vordergrung. Auf lange Sicht zeichnet sich hinter der grenzenlosen Europakarte von Schengen diejenige eines Wirtschaftsverbandes ab. Einige Tage nach der Demütigung durch die Absage des Besuches von Barack Obama sucht die EU nun hektisch nach Lösungswegen. Aber um ihr Prestige wieder zu gewinnen, muss sie diese neue Karte berücksichtigen und daraus Rückschlüsse ziehen, wie sie ordentlich funktionieren und ein ernstzunehmendes, internationales Gewicht wieder erlangen kann.

Eric Maurice

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