Eine Ehe für alle

Veröffentlicht am 17 August 2012 um 14:51

Sie leben in Belgien, Dänemark, Island, den Niederlanden, Norwegen, Portugal, Spanien oder Schweden? Sie brauchen nicht weiter zu lesen. In diesen Ländern können auch gleichgeschlechtliche Partner heiraten. In den anderen Ländern der Europäischen Union taucht hingegen die Frage noch regelmäßig in der politischen und gesellschaftlichen Debatte auf, insbesondere kurz vor oder kurz nach den Wahlen.

In Frankreich hatte der Sozialist François Hollande während des Wahlkampfs versprochen, „auch homosexuellen Paaren das Recht auf Ehe und Adoption zu gewähren“. Kaum gewählt, kündigte er ein Gesetz zu dieser Frage „für das Frühjahr 2013“ an, und es ist wahrscheinlich, dass auch ein Teil des konservativen Lagers dem zustimmen wird.

In Finnland wurde vergangenen März im Parlament ein Gesetzestext eingereicht, der die gleichgeschlechtliche Ehe zulässt. In Deutschland, wo das Verfassungsgericht jüngst urteilte, dass gleichgeschlechtliche Paare genauso behandelt werden müssen wie heterosexuelle Paare, stockt noch aufgrund der Ablehnung der regierenden Konservativen und Liberalen bisher der Prozess, dies auch in Bundesrecht zu übertragen.

In Luxemburg wird das Gesetz zur „Homo-Ehe“ vermutlich im Laufe 2013 abgesegnet werden. Und in Großbritannien gab die Regierung ihre Absicht bekannt, die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern „bis Ende der Legislaturperiode“ legalisieren zu wollen. In anderen Ländern wie Italien, Polen oder Griechenland betrifft die Debatte vorerst nur eingetragene Lebensgemeinschaften — ein erster Schritt in Richtung Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe.

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Wo es sie gibt, ist die Debatte leidenschaftlich oder gar hitzig. Doch scheint sie aus unserer Sicht von einem Missverständnis geprägt, dass man immer dann wiederfindet wenn eine soziale Frage (Abtreibung, Scheidung, Euthanasie, Homo-Ehe...) sich auf ein Feld begibt, wo religiöse Überzeugungen ins Spiel kommen.

Dabei ist es durchaus möglich, einen säkularen und liberalen Umgang mit diesen Fragen zu haben: die Rechte eines Teils der Bevölkerung zu erweitern, heißt noch lange nicht, dass damit die Rechte jener, die sich in ihren Überzeugungen angegriffen fühlen, beeinträchtigt würden. Ein Recht anzuerkennen bedeutet nicht, dass es obligatorisch wird, es wahrzunehmen. Die Auswahl haben, heißt nicht vorschreiben. Gegen eine Maßnahme zu kämpfen, welche die Intimsphäre der anderen betrifft, ist schlichtweg eine Form der Intoleranz.

Im Fall der „Homo-Ehe“ geht es darum, eine Diskriminierung zu beenden, für die es von dem Moment an, wo wir anerkennen, dass zwei Männer oder zwei Frauen zusammenleben können, keinen Grundlage mehr gibt. Das Europäische Parlament hat in der Frage nicht geirrt: Im Jahr 2003 verabschiedete es eine Resolution, welche die Mitgliedsstaaten auffordert, „ jede Form der — gesetzlichen oder tatsächlichen — Diskriminierung abzuschaffen, unter der Homosexuelle leiden, insbesondere im Bereich des Rechts auf Eheschließung und auf Adoption von Kindern“.

Die Gegner der „Homo-Ehe“ und des Rechts auf Adoption von homosexuellen Paaren unterstreichen die Tatsache, dass damit erstens die Grundfesten unserer Gesellschaft, welche angeblich auf der heterosexuellen Familie basiert, untergraben würden, und dass zweitens gleichgeschlechtliche Eltern für die Kinder destabilisierend wären.

Nichts belegt das erste Postulat: Belgien, die Niederlande und Spanien sind immer noch da, friedlich und demokratisch. Und für das zweite: Bis heute hat keine einzige Studie nachgewiesen, dass die Tatsache, gleichgeschlechtliche Eltern zu haben, irgendeinen negativen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes hätte.

Man müsste die Frage andersherum stellen: Gibt es irgendeinen objektiven Grund — abgesehen von den rechtlichen Hindernissen —, um zwei sich liebenden Menschen, welchen Geschlechts auch immer, die Ehe zu verbieten?

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