Auf der Schiene

Veröffentlicht am 1 Februar 2013 um 16:06

Sie allein war noch übrig, aber bis 2019 war’s das dann auch mit ihr: Nach der Luft- und der Schifffahrt öffnet sich nun auch die hiesige Bahnfahrt der Konkurrenz. Die Nutzer — Entschuldigung, will sagen die Kunden — können dann für innerländliche Reisen zwischen den inländischen Unternehmen (die derzeit 90% des Personenverkehrs innerhalb der EU bedienen) und ausländischen Unternehmen wählen. Die ausländischen Unternehmen können dann auch auf internen Strecken in den 25 Mitgliedstaaten miteinander konkurrieren (Malta und Zypern haben kein Eisenbahnnetz).

Das am 30. Januar vom europäischen Verkehrskommissar Siim Kallas präsentierte „Vierte Bahnpaket” sieht die vollständige Öffnung des Marktes und das Ende des Monopols der großen nationalen Bahnkonzerne noch vor Ende des Jahrzehnts vor. Unter anderem sollen dabei die Signale und Regelungen stärker vereinheitlicht werden.

Durch das Paket sollen die Passagiere und die Bahngesellschaften in den nächsten 15 Jahren 40 Milliarden Euro einsparen. Außerdem soll der Wirtschaftssektor der Bahn frischen Wind bekommen. Er beschäftigt in Europa 800 000 Menschen und hat einen Umsatz von 70 Milliarden Euro, ist aber am Kämpfen: In den letzten Jahren haben die alteingesessenen belgischen, bulgarischen, spanischen und portugiesischen Konzerne alle um staatliche Hilfen gebeten, um ihre Schwierigkeiten zu überwinden.

Um sicher zu stellen, dass die derzeitigen staatlichen Monopole wie die Deutsche Bahn (DB), die SNCF in Frankreich oder die Trenitalia in Italien ihre Position nicht ausnutzen, um die Konkurrenz auszustechen, empfiehlt die Kommission die „vollständige institutionelle Trennung“ des Personentransportes von der Verwaltung des Streckennetzes.

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Es handelt sich dabei um eine Empfehlung, die nicht verpflichtend ist. Das bedeutet, dass beide Betriebe unter der gleichen Dachgesellschaft bleiben können, solange ihre Buchhaltung getrennt läuft. Auf diese Lockerung drängte vor allem Berlin. Der DB wird vorgeworfen, öffentliche Gelder für die Erweiterung ihres Verkehrsnetzes in Deutschland zu verwenden — was ihr auch vom selben Kallas 2012 ein Abmahnverfahren einbrachte.

Wenn die Initiative aus Brüssel es wirklich schafft, den Bahnverkehr in Europa wieder anzukurbeln, kann man sie nur befürworten. Denn der von Kallas beschriebene Niedergang ist leider nur zu real. So bemängelte vor Kurzem das World Carfree Network (WCN, eine ONG, die alternative Transportmittel fördert) in einem Brief an den Kommissar, dass immer mehr nationale und vor allem internationale Strecken in den letzten Jahren eingestellt wurden.

So fielen zum Beispiel die Verbindung zwischen Brüssel und Amsterdam, Madrid und Lissabon, Paris und Rom, Wien und Sofia und Berlin und Kiew den Kürzungen zum Opfer. Griechenland hat unter dem Druck seiner Gläubiger den Bahnverkehr mit dem Ausland letztes Jahr sogar vollständig unterbrochen. Einige dieser „konventionellen“ Strecken wurden durch Hochgeschwindigkeitszüge ersetzt. Diese sind für die Betreiber gewinnträchtiger, für die Reisenden aber teurer, die häufig nur die eine Wahl haben.

Das WCN weist allerdings darauf hin, dass die EU, wenn sie ihre Ziele hinsichtlich der Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Transportwesen einhalten und das von ihr unterstützte „Bahnnetz der Zukunft“ aufbauen will, dieser Kürzungspolitik entgegenwirken und die Europäer wieder auf die richtige Bahn lenken sollte.

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