Allein am Tisch

Veröffentlicht am 19 Februar 2013 um 16:27

„Sag mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist“: Wieviele Europäer könnten heute noch auf diese Frage antworten, die Jean-Anthelme Brillat-Savarin im 19. Jahrhundert stellte? Und wären sie überhaupt bereit, die Antwort zu hören, die ihnen der Autor der Physiologie des Geschmacks daraufhin geben würde?
Noch nie zuvor wussten wir so viel über die Lebensmittel, die wir zu uns nehmen, und dennoch hatten wir noch nie den Eindruck, so wenig über das zu wissen, was da auf unserem Teller liegt.
Der Skandal um das Pferdefleisch in den Rindfleischgerichten erinnert uns daran, dass man nie gegen einen Lebensmittelbetrug gefeit ist und dass der Wettlauf um die niedrigsten Preise sich letztendlich gegen den Verbraucher wendet.
Aufgrund der Krise und der dadurch gesunkenen Kaufkraft muss letzterer budgetäre Entscheidungen treffen, bei denen oft der Posten für Lebensmittel zu kurz kommt. Man isst nicht etwa weniger, aber man isst schlechter.
Und was der Verbraucher nicht in klingender Münze zahlt, das bezahlt er anders, nämlich mit seiner Gesundheit. Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs… lauter gesundheitliche Gefahrenbereiche, auf welche sich die Ernährung auswirkt.
Europa hat unterdessen eine ambivalente Einstellung: Einerseits scheint es den Verbraucher zu verteidigen, indem es Gütezeichen einführt, eine immer präzisere Beschriftung von Lebensmitteln verlangt und eine gesunde Ernährung fördert. Andererseits scheint Europa der Lebensmittelindustrie den Rücken stärken zu wollen, indem es Praktiken genehmigt und Maßnahmen trifft, die offensichtlich die entgegengesetzte Richtung einschlagen.

So wie kürzlich die Aufhebung des Verbots von Tiermehlen in der Ernährung von Zuchtfischen. Die Tiermehle waren 1997 verboten worden, weil man sie für die „Rinderwahnkrise“ verantwortlich machte. Es wird für Brüssel erst recht schwierig sein, dem Druck anderer Tierzüchter – insbesondere der Schweine- und Geflügelzüchter – zu widerstehen, jetzt, da die Getreidepreise einen Höchststand erreicht haben.
Dem gegenüber steht der Verbraucher ziemlich alleine da. Dabei gibt es Mittel und Wege, gut zu essen, ohne sich zu ruinieren – und zwar nachhaltig. Wie Carlo Petrini, der Erfinder der Bewegung Slow Food in einem Artikel erklärt, „stimmt es nicht, dass gut essen teuer ist. Wir wissen nur nicht mehr, wie es geht.“

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