Ein Armer kommt selten allein

Veröffentlicht am 19 April 2013 um 15:57

Böse Zungen könnten meinen, dass das Imperium den Gegenangriff startet. Gleich nach der Zypern-Krise, in der Deutschland erneut vorgeworfen wurde den südeuropäischen Ländern seinen Willen mit drastischen Sparplänen aufzwingen zu wollen, heizt eine von der Europäischen Zentralbank veröffentlichte Studie die deutsche Debatte über die Fahrlässigkeit dieser Südländer an.
 Der Studie zufolge seien die Deutschen die „Ärmsten Menschen Europas”, deren Durchschnittsvermögen unter dem der Spanier, Italiener und sogar der Griechen und Zyprioten liege.

Und schon titelt der Spiegel über die „Armutslüge. Wie Europas Krisenländer ihre Vermögen verstecken“. Darunter findet sich ein Bild eines alten Mannes auf einem Esel, der Banknoten in den Wind verstreut. „Wie gerecht ist die Euro-Rettung, wenn die Menschen in den Nehmerländern reicher sind als die Bürger der Geberländer?”, fragt die Wochenzeitschrift und schreibt im Untertitel, dass „eine Debatte über die Neuverteilung der Lasten überfällig“ sei.

Abgesehen vom Krieg der Klischees, der bereitwillig vom europäischen Norden wie auch dem Süden gespeist wird, wirft der Spiegel die entscheidende Frage auf: Wird Deutschland die eingesetzten Rettungsschirme in der Euro-Zone anzweifeln? Allerdings basiert die Frage auf einer irrtümlichen Wahrnehmung. Natürlich „zahlt“ Deutschland mehr als die anderen für die Krisenländer, aber es zahlt nicht alleine und die Zahlungen sind auch nicht unverhältnismäßig. Die derzeitigen Rettungsschirme und der Europäische Stabilitätsmechanismus werden von den Staaten entsprechend ihrer Bevölkerung und ihrem Volksvermögen finanziert. Da Deutschland das meistbevölkerte und das reichste Land der EU ist, ist es also normal, dass es proportional mehr als andere zur seit 2010 eingeführten Solidarität beiträgt.

Doch diese Solidarität – die man rationaler auch Transfer-Union nennen kann – ist in Deutschland nicht selbstverständlich. Im Namen der europäischen Verträge (die heutzutage schon weitgehend umgangen werden) soll der deutsche Bürger zahlen. Doch das Argument, dass das Arbeitseinkommen derjenigen, die sich Mühe geben und die Regeln respektieren nicht dazu dienen kann, die Mangelhaftigkeit derjenigen (im Süden) auszugleichen, die ihre Finanzen und ihren Staat schlecht verwalten, wird lauter. Die einfachste Schlussfolgerung dieses Arguments für Deutschland gibt die neu gegründete Partei Alternative für Deutschland, die für den Austritt aus dem Euro ist. Sie wird beim Wahlkampf für die Wahlen im September schwer ins Gewicht fallen.

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Die Studie der EZB verhärtet dies Argument,weil dort behauptet wird, dass die Deutschen am härtesten sparen, am meisten zahlen und darüber hinaus auch noch die Ärmsten sind. Doch die benutzte Methode ist umstritten, weil sie sich mehr auf Besitz als auf Einkommen bezieht. Doch — und das ist keine Überraschung – die Studie zeigt auch, dass das Durchschnittseinkommen in Deutschland höher ist als in den meisten anderen europäischen Staaten. Was gezeigt wird, ist einfach, dass die Deutschen ihr Vermögen anders verwalten, vor allem, dass sie seltener in Immobilien investieren.

Das Bild, das sich herauskristallisiert, ist also das eines geteilten Europas. Geteilt zwischen den Ländern, die mehr oder weniger Wohlstand haben und denjenigen mit großen Schwierigkeiten; zwischen Ländern mit Massenarbeitslosigkeit und denjenigen, wo die Arbeitslosigkeit in Grenzen gehalten wird; zwischen Ländern, die die Jugend verlässt und anderen, wo die Jugend ihr Glück versucht; zwischen Ländern, in denen die Einwohner Besitz aber ein geringes Einkommen haben und denjenigen, wo Güter und Dienstleistungen der Masse zur Verfügung stehen.

Muss man dazu die Spaltung zwischen tugendhaften und nicht tugendhaften Ländern dazuzählen? Aus moralischer Sicht im Sinne einiger nordischer Länder sicher nicht. Doch aus einem Blickwinkel, der die Vermögensverteilung, den Kampf gegen Korruption und Ineffizienz des Staates im Auge behält, lohnt es sich, die Diskussion anzukurbeln. Sowohl im Norden wie auch im Süden.

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