Außenpolitik fährt auf Reserve

Veröffentlicht am 25 März 2011 um 14:59

Deutschland ist dagegen. Italien und Frankreich streiten sich. Der Einsatz in Libyen ist ein x-ter Beweis dafür, dass „sich die Europäer in Sicherheitsfragen nicht einig sind“, schreibt der Daily Telegraph. Und anstatt dass sie die Augen öffnen und sich um ein gemeinsames Vorgehen bemühen, haben die Mitgliedsstaaten wieder einmal nur ihre eigene innenpolitische Agenda im Kopf. Allerdings wird durch die Libyen-Krise noch ein anderer Aspekt der gefährlichen Koordinationsschwäche Europas deutlich: Die Energiepolitik.

Den Einsatz in Libyen rechtfertigte man mit der humanitären Notwendigkeit: Die Zivilbevölkerung müsse vor den Massakern beschützt werden, die Gaddafi angekündigt hatte. Jedoch muss man fragen, wie glaubwürdig dieses Argument wirklich ist, wenn man sich anschaut, mit welcher Gleichgültigkeit Europa die Ereignisse in den arabischen Ländern verfolgt, wo die Volksaufstände gewaltsam niedergeworfen werden. Beispielsweise im Jemen oder in Bahrein, wo der EU-Gesandte sogar rechtfertigte, dass die Polizei mit scharfer Munition gegen Demonstranten vorging: „In dieser Art von Situationen kommt es zu Unfällen“.

Dass man zweierlei Maß anlegt, hat einen einfachen Grund: die Gleichzeitigkeit der libyschen Krise und des Atomunfalls in Fukushima. Auf den reagierte Deutschland, ohne sich mit seinen europäischen Partnern beraten zu haben, was diese verärgerte. Und auch die Ölpreise sind bereits in die Höhe geschnellt. Nur das, was Saudi-Arabien momentan noch fördern kann, bewahrt uns vor einem Ölschock. Die Stabilität des repressiven Regimes in Riad und seiner Satellitenstaaten muss erhalten werden. Auch wenn man dabei das Gesicht verliert.

Von dieser doppelten Krise profitiert vor allem Russland, dessen Erdöl-Gewinne steigen, urteilt die Financial Times. Zudem hat es Japan und Europa zusätzliche Gas-Exporte angeboten, um die Schließung der Atomkraftwerke zu kompensieren. Und während die europäische Ferngasleitung Nabucco in Schwierigkeiten steckt, ist sein russischer Konkurrent South Stream weiterhin auf dem Vormarsch. Im ewigen Tauziehen um Osteuropa macht all das, was Moskau stärkt, Brüssel nur schwächer.

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Für ihren Auswärtigen Dienst und die Finanzierung der Partnerschaften mit östlichen und südlichen Ländern hat die EU astronomische Summen ausgegeben. Jedoch hindert ihre Energieabhängigkeit sie an einer selbstbewussten und kohärenten Außenpolitik. Um dieser Sackgasse zu entkommen, braucht es Weitblick. Leider sind die einzigen in Brüssel, die über diese verfügen, die Lobbyisten der Ölindustrie. Und für sie sollte am besten alles beim Alten bleiben. (jh)

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