Goldlocke und der Bär

Veröffentlicht am 14 August 2009 um 13:21

Seitdem sich das Russische Reich unter Peter dem Großen (1672-1725, von 1682 bis 1721 Zar und Großfürst von Russland, von 1721 bis 1725 der erste Kaiser des russischen Imperiums – A.d.R.) zu einer kontinentalen Macht entwickelt hat, stellt sich Europa die Frage: Wie kann man mit diesem großen und furchterregenden Nachbarn leben, der sich so oft um den Verlust seiner Vormachtstellung sorgt, mit beruhigenden Gesten geizt und von Zeit zu Zeit von kriegerischem Fieber heimgesucht wird?

Vor einem Jahr sind die Truppen aus Moskau in Georgien eingefallen. Vorwand: Die Verteidigung der russischen Bevölkerungsgruppen in den Landesteilen, welche sich eigenständig als Republik Südossetien ausgerufen hatten. Im Monat Mai des vergangenen Jahres hatte sie die Verhandlungen boykottiert, welche die Union und sechs ehemalige sowjetische Republiken mit dem Ziel einer Östlichen Partnerschaft geführt hatten. Vorwand: Die Europäische Union wolle neue "Grenzlinien" in Europa schaffen. Kürzlich hat der russische Regierungschef Wladimir Putin allen denjenigen mit einem bewaffneten Konflikt gedroht, die es wagen, sich in die Unabhängigkeitsfrage der sezessionistischen und pro-russischen Gebiete einzumischen. Zudem macht Moskau im NATO-Russland-Rat (NRR) oder in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auch mindestens einmal im Jahr von seinem Vetorecht Gebrauch, während es damit droht, die Gashähne zuzudrehen, wenn ihm etwas gegen den Strich gehen sollte.

Gegenüber Moskau reagiert die Union oft zweideutig und vielstimmig. Wer gute Beziehungen aufrechterhalten will, um seine Sicherheit zu gewähren und großen Gas-Durst zu stillen, aber gleichzeitig schockierende Missstände anprangern will, der wird nur schwerlich eine klare politische Linie verfolgen. Man meint fast, die EU habe sie sich die verhängnisvolle Analyse Winston Churchills zu Eigen gemacht. Der sieht Russland als ein "von Geheimnissen umwobenes Rätsel, welches sich im Inneren eines Mysteriums befindet".

Und auch wenn sie so manches Mal feindlich gesonnen Gegnern gegenüberstehen, so ziehen es Russland (und auch China) dennoch vor, mit entschlossenen und zielbestimmten Gesprächspartnern zu verhandeln, als mit zaghaften. Sollte die Union gegenüber Moskau also des Öfteren einen härteren Ton an den Tag legen? Sicher. Wenn es notwendig ist. Sie wird nur umso mehr Respekt ernten. I. B-G.

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