Lähmung

Veröffentlicht am 15 Juli 2011 um 13:58

Freitag, den 15. Juli, sollten sich die EU-Staats- und Regierungschefs zu seiner Sondersitzung treffen, um über Lösungen zur Finanzkrise in der Eurozone zu diskutieren. So lautete zumindest der ausdrückliche Wunsch von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, der seit seiner Ernennung verzweifelt versucht, sich als führender Kopf der Institution durchzusetzen. Leider wiesen die europäischen Regierungschefs, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel, diese Einladung zurück und zeigten einmal mehr ihre Unfähigkeit, gemeinsam gegen die möglicherweise lebensbedrohenden Ereignisse für die Union, so wie wir sie kennen, vorzugehen.

Die Situation ist bekannt: Griechenland steuert trotz Sparkurs und Hilfen von EU und IWF weiter auf die Pleite zu. Die portugiesischen und irischen Anleihen wurden von den Ratingagenturen auf „Ramschniveau“ abgestuft. Italien musste quasi mit dem Rücken zur Wand Sparmaßnahmen in Höhe von 40 Milliarden Euro verabschieden. Und die 17 Länder der Eurozone, die Europäische Zentralbank sowie die EU-Kommission zanken munter weiter, welche Strategie verfolgt werden soll. „Der Mangel an politischer Führung führt zu Streit über die Bedingungen einer Bankenbeteiligung am neuen Hilfspaket für Griechenland. Die werten Finanzminister kümmern sich eher um einen Schnupfen, als um den Krebs!“ bedauert Le Monde am Tag nach dem Scheitern des letzten Treffens der EU-Finanzminister.

Es gibt zwar für unsere Politiker mildernde Umstände, doch gerade diese bieten Anlass zur Sorge. Der erste Grund zur Sorge lautet, dass die Politiker, wie in der Zeit zu lesen ist, in der Zwickmühle stecken. Einerseits sind sie dem innenpolitischen Druck ausgesetzt, der sich davon abhält, weitere Rettungspakete zu finanzieren, andererseits drücken die Finanzmärkte aufs Tempo. Sie schwächen die Staaten, aber haben ein Totschlagargument: Ihr Geld wird benötigt um die Staatsanleihen zu finanzieren.

Der zweite Grund zur Sorge kommt aus den Vereinigten Staaten. Am 14. Juli drohte die Ratingagentur Standard & Poor’s, die Bonität der USA herabzustufen. Bis jetzt hat es Barack Obama nicht geschafft, die Republikaner zu überzeugen, seinem Haushalt zuzustimmen. Die europäische Finanzkrise könnte die Vereinigten Staaten schwächen, was wiederum die Lage auf unserem Kontinent verschärfen würde. Die amerikanischen Politiker scheinen der Lage genauso wenig gewachsen, wie ihre europäischen Kollegen.

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Unentschlossenheit, Inkompetenz oder einfach nur Lähmung. Die Politiker hinterlassen den Eindruck, dass ihnen das Schicksal ihrer Länder entgleitet. Dabei müssten sie gerade jetzt Entschlossenheit zeigen. Doch wer ist gewieft genug, um zu sagen, welches der richtige Weg ist? (js)

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