Wer wird neuer Präsident in Budapest?

Veröffentlicht am 3 April 2012 um 12:40

In Ungarn und seinen Nachbarländern löst der Rücktritt des ungarischen Präsidenten zahlreiche Reaktionen aus. Pál Schmitt wird beschuldigt, seine Dissertation über die Olympischen Spiele größtenteils abgeschrieben zu haben, doch die Reaktionen gehen über die Person des nun ehemaligen Staatschefs hinaus und konzentrieren sich auf den politischen Rahmen, in welchem der Skandal ans Licht kam, und auf die allmächtige Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán. Die Regierung von Viktor Orbán wird des autoritären Abdriftens beschuldigt, doch Pál Schmitts Rücktritt beweist, dass die Demokratie in Budapest „funktioniert”, wie die Rzeczpospolita betont. Die polnische Tageszeitung schreibt:

Es hat sich herausgestellt, dass die demokratischen Mechanismen wie vorgesehen funktioniert haben [...] Schmitt hat also die linksgerichtete Presse Lügen gestraft. Wenn Ungarn so ein Land wäre, wie es die europäische Presse beschreibt, dann wäre der Präsident nicht zurückgetreten. Er war durch seine Immunität geschützt, hatte eine Mehrheitsregierung im Rücken und die Sympathie des Ministerpräsidenten. [...] Zu den vielen Verbrechen, die der Regierung unter Viktor Orbán vorgeworfen werden, gehört die angebliche Zerstörung der unabhängigen Medien. Doch es war die Oppositionspresse [die Zeitschrift HVG], welche die schweren Anschuldigungen gegen den von der Fidesz-Mehrheit ausgewählten Staatschef vorbrachte, was zu seinem Rücktritt führte. [...] Die freie Presse hat ihre Rolle gespielt und sich als effizient erwiesen. Wie steht es also um das Recht auf freie Rede und um die Demokratie in Ungarn? Letztendlich gar nicht schlecht.

Eben in der HVG ironisiertGaspar Miklos Tamas über den „armen Onkel Plagi”. Der zurücktretende Präsident sei, so der Philosoph:

nur der Geprellte in einem ethischen Durcheinander gewesen, für das er nicht verantwortlich war. Er hat sich so verhalten, wie er es beim Abschaum des alten Regimes gelernt hat, und bis zum Schluss nicht verstanden, dass das für die Generation der demokratisch-liberalen Illusionen zugleich belustigend und ekelerregend war.

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Diese Meinung teilt auch Martin Ehl in der Hospodářské Noviny. Für den Prager

war Schmitt nur eine Marionette, derer sich Orbán jederzeit entledigen konnte. Das Plagiat, das ihn schließlich zum Rücktritt getrieben hat, war nur ein Stock – geschwungen von den Medien, die den ehemaligen sozialistischen und liberalen Regierungsleitern nahe stehen.

Was den Nachfolger Schmitts betrifft, so wird sein Name...

...einen Hinweis auf die Macht geben, die Viktor Orbán und die Fidesz zwei Jahre nach dem Start ihrer energischen Inlands- und Auslandspolitik besitzen. Angesichts der wenig prunkvollen Situation Ungarns innerhalb Europas täte der ungarische Ministerpräsident gut daran, eine parteilose, politisch unabhängige und international anerkannte Persönlichkeit durchzusetzen. Wählt das Parlament hingegen eine Persönlichkeit aus dem harten Kern der Fidesz aus, dann sind neue Kopfschmerzen zu erwarten, sowohl in Budapest als auch in Brüssel.

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