Kann Berlusconi ein euroskeptisches Comeback feiern?

Veröffentlicht am 26 Juni 2012 um 13:01

Alle dachten, er sei von der politischen Bildfläche verschwunden, da tauchte Silvio Berlusconi wieder aus der Versenkung auf. Der ehemalige Regierungschef brach vor kurzem das Schweigen, mit dem er seinen letzten gerichtlichen Problemen trotzte, und reitet nun auf derselben Welle der Euroskepsis wie der Humorist Beppe Grillo: Er sprach vom Austritt Italiens aus der Eurozone – oder vom Austritt Deutschlands, falls es nicht bereit ist, die Rolle der Europäischen Zentralbank zu verstärken.

La Repubblica kritisiert dieses Verhalten als bedrohend für die Stabilität der technischen Regierung unter Mario Monti, die sich auf die drei Hauptparteien stützt:

Gerade wenn doch ein Maximum an nationalem Zusammenhalt geboten wäre, droht die ‚Große Koalition’ im italienischen Stil auseinanderzubrechen und sich zu vorgezogenen Wahlen verleiten zu lassen. Mario Monti sitzt nun vor dem europäischen Gipfel von übermorgen in der Zwickmühle.

Die Staatskanzleien des Kontinents sehen ihn als einen Vermittler, von dem der Erfolg der Aktion abhängt. Die Leitungen der italienischen politischen Parteien sehen ihn als Katalysator, dem man die Schuld für ein eventuelles Scheitern zuschieben kann. [...] Volk der Freiheit, seine Partei, wird durch eine unwahrscheinliche und ungelegene Auferstehung des Cavaliere erschüttert.

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Die berlusconische Goldene Morgenröte [griechische rechtsextreme Partei] verspricht zweierlei: einen pathetischen Krieg gegen Deutschland, und einen autarkischen Kampf gegen den Euro. Diese populistische Revanche [...] ist eine verzweifelte politische Position. Die Regierung hat keine Alternativen. Monti, mit allen seinen Grenzen und Fehlern, ist das Glaubhafteste, das Italien heute zu bieten hat. Doch es wäre falsch, zu glauben, dass Monti nur aus diesem Grund bleiben soll.

Das Auffahren des Cavaliere löst jenseits der italienischen Grenzen Beunruhigung aus. In Großbritannien etwa fürchtet derGuardian ein eventuelles Comeback Berlusconis. In einem Leitartikel mit dem Titel „Bitte, nicht noch einmal“ schreibt die Londoner Tageszeitung:

Der Milliardär hat scheinbar unbegrenzte Mengen Geld, die er für diese Kampagne hinauswerfen kann. Und mit seinen jüngsten Kommentaren, in denen er die Vorteile für Italiens Exportwirtschaft anpreist, sollte der Handel wieder in Lira ablaufen, hat Berlusconi ein potentiell siegreiches Wahlargument. Italien ist euroskeptischer als es oft scheint.

Es bleibt zwar insofern proeuropäisch, dass Brüssel als eine beständigere gute Regierungsform für Italien gilt als Rom, doch der Euro selbst wird mit der Inflation assoziiert. Heute ist er zum Symbol für die Stagnation geworden. Mario Montis Beliebtheit als der Technokrat, dessen einzige Aufgabe es ist, das Haushaltsdefizit zu reduzieren, ist stark abgefallen. Italien hat kein Geld in den Kassen, um das Wachstum anzukurbeln, wie ein lang erwarteter Wachstumsbeschluss zeigte.

Dieser wurde vom Kabinett erst abgesegnet, nachdem das Finanzministerium die darin enthaltenen radikaleren Bestimmungen ausgemerzt hatte. Und doch wird Italien ohne Wachstum nicht in der Lage sein, seine immer noch steigenden Schuldenberge abzuzahlen. Der Euro ist nun ein bisschen anrüchig und Berlusconi ist bei weitem nicht der einzige Politiker, der den Gedanken vertritt, dass Italien durch eine Rückkehr zur Lira, eine Abwertung und eine exportintensive Hochkonjunktur wieder zu Wachstum gelangen könnte. Doch er könnte sich durchaus als der Hauptbegünstigte dieses Gedankens positionieren.

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