Europäische Union

Vom EU-Kommissar zum Lobbyisten

Veröffentlicht am 13 Juli 2010 um 12:22

Transparenz-Aktivisten fürchten, dass eine PR-Agentur, die als Interessenvertreter für Reedereien bei der EU-Kommission Lobbyarbeit leistet, "die Spitze der EU-Kommission für maritime Angelegenheiten mit Bausch und Bogen aufgekauft" hat, titelt EUObserver, nachdem Joe Borg von der Consulting-Firma Fipra angeheuert worden ist. Bis 2009, berichtet die Website aus Brüssel, war der Maltese Borg der verantwortliche EU-Kommissar für maritime Angelegenheiten und Fischerei. Er trifft dort auf einen alten Bekannten, seinen ehemaligen Kommissions-Kollegen John Richardson, der bereits bei Fipra als "Berater für maritime und diplomatische Angelegenheiten" tätig ist.

Das Corporate Europe Observatory CEO, eine Gruppe, die sich die Überwachung der EU-Lobbyisten zur Aufgabe gemacht hat, sieht diese Entwicklung kritisch. Mit dem Hinweis darauf, dass sich die Fipra nicht auf der EU-Liste der Interessenvertreter hat registrieren lassen, erklärt Erik Wesslius von CEO: "Diese beiden inakzeptablen Wechsel zeigen, dass die Kommission eine strikte Auslegung der Regeln für ehemalige EU-Kommissare und Kommissionsmitglieder völlig übergeht."

Trotz Borgs und Richardsons Bekundungen, dass es keine Überschneidungen zwischen ihrer alten und neuen Tätigkeit gibt, zeigt sich EUObserver skeptisch, da zahlreiche EU-Kommissare in Branchen gegangen sind, die mit ihrer vorherigen Tätigkeit in Zusammenhang stehen: "Insgesamt sechs der dreizehn in diesem Jahr ausgeschiedenen EU-Kommissare arbeiten heute für Banken, Lobby-Verbände, Versicherungen oder Fluggesellschaften", steht dort. Der Eintritt des ehemaligen EU-Binnenmarkt- und Dienstleistungskommissars Charlie McCreevy in den Vorstand von Ryanair ist dabei nur das eklatanteste Beispiel.

Auch in maritimen Fragen "sollten sich Borgs alte Malteser Verbindungen sicher als nützlich erweisen", notiert die Internetzeitung. Einer der Fipra-Kunden ist die Kreuzfahrt-Reederei Royal Carribean Cruises. Zahlreiche Kreuzfahrtschiffe, die unter karibischen Flaggen verkehrten, haben sich heute in Europa registrieren lassen. Bei Royal Carribean waren zahlreiche Schiffe in Billigflaggenländern wie Liberia registriert, um so die europäischen und amerikanischen Regelungen zu umgehen. Doch heute lassen sie sich in Mata registrieren. Wie Borg während eines Fipra-Dinner am 7. Mai in Malta erklärte: "Die Fipra und die EU-Kommission haben mehr gemeinsam, als man denkt." (js)

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