Presseschau Frankreich-Deutschland

Deutsch-französische Eiszeit

Veröffentlicht am 29 April 2013 um 13:38

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Seit Monaten streiten sich beide Länder um die Frage, welche Strategie der Krisenbewältigung wohl die beste sei. Am Freitag, den 26. April, spitzte sich die ohnehin schon angespannte Situation aber noch mehr zu. Der Grund: Frankreichs Sozialistische Partei hatte einen deutschlandkritischen Text über Europa entworfen, der in die Hände der Presse gelangt war und veröffentlicht wurde.

In dem besagten Schriftstück wird Angela Merkel „Unnachgiebigkeit“ und „Egoismus“ vorgeworfen. Und selbst wenn der endgültige Text harmloser ausfallen wird, sind wir doch weit von der „freundschaftlichen Spannung“ entfernt, mit der Frankreichs Staatspräsident François Hollande die Beziehung zur deutschen Bundeskanzlerin erst kürzlich beschrieben hatte.

In ihrem Leitartikel prangert die Tageszeitung Le Figaro diese Haltung der französischen Sozialisten an und urteilt scharf:

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Nichts ist unverantwortlicher als Angela Merkel und die europäische Politik Deutschlands zum Sündenbock für die Schwierigkeiten zu machen, die sich in unserem Land anhäufen. Dieses Kalkül auf höchster Ebene zeigt, dass Paris in machiavellistischer Manier mit heißer Nadel strickt und der deutschen Bundeskanzlerin eine Niederlage [bei den am 22.] September stattfindenden Parlamentswahlen wünscht. Nur um einem reformunfähigen Südeuropa entgegenzukommen, soll Deutschland auf diese Weise gezwungen werden, von seinen Sparsamkeitsforderungen abzusehen.

In den Augen von Le Monde ist „dieses Spielchen nicht nur kindisch, sondern äußerst gefährlich“, und zwar aus mehrerlei Gründen:

Zunächst einmal, weil es die Europaskepsis nährt, wenn die Verantwortung für die politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten Frankreichs auf die Europäische Union abgewälzt werden. [...] Zweitens kann Merkel zwar so tun, als würden die persönlichen Angriffe aus Südeuropa sie gleichgültig lassen, wenn aber plötzlich Paris zum Angriff bläst, nimmt die Angelegenheit eine völlig neue Dimension an.

Auf der anderen Seite des Rheins befürchtet Der Spiegel, dass die Uneinigkeit des deutsch-französischen Paares vor allem Lösungswege aus der Krise verbaut.

Der französische Präsident Hollande setzt darauf, dass es nach der Bundestagswahl in Berlin eine neue Regierung geben wird. Von der erhofft er sich größere Kompromissbereitschaft. Von der aktuellen erwartet er nichts mehr. Ein Jahr nach dem Amtsantritt Hollandes ist das deutsch-französische Verhältnis schlechter, als selbst Pessimisten in beiden Ländern es erwartet hatten. Berlin und Paris sind in nahezu allen Fragen der Krisenbewältigung uneinig.

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