Hungriger Vater Staat schluckt Privatrente

Veröffentlicht am 14 Dezember 2010 um 13:11

„Ungarn verstaatlicht private Pensionskassen“, stellt mit Verwunderung die tschechische Tageszeitung Hospodářské noviny fest. Am 13. Dezember hat das Parlament einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der die in Ungarn obligatorische private Rentenzusatzversicherung wieder verstaatlicht. Die rechtskonservative Regierung kippte somit eine vor zwölf Jahren eingeführte Regelung, die laut Regierungschef Viktor Orbán eine „schlechte Erfahrung ist, mit der wir uns bis über die Ohren verschuldet haben.“

Der Staat will mit den Geldern das Schulden- „Loch stopfen“, das 80 Prozent des Bruttoinlandprodukts erreicht, um so den Versprechen an die Europäische Union und an den Internationalen Währungsfonds nachzukommen. Die Maßnahme greift ab Ende Januar nächsten Jahres, und die Ungarn werden mit geringeren Rentenbezügen rechnen müssen. „Das Vertrauen der Menschen in die staatliche Rentenversicherung war schon gering. Deshalb haben sie es auch vorgezogen, in private Kassen einzuzahlen. Heute ist es gleich null“, meint Hospodářské noviny. „Nach der Rente kann man alles andere auch gleich wieder verstaatlichen“. Heute, so schreibt das Blatt, „ist die einzige Gewissheit der Menschen die Ungewissheit, was aus ihren Ersparnissen und aus ihrer Rente wird.“

Das mit einer ähnlichen Situation konfrontierte Polen hat den gegensätzlichen Weg gewählt. Am 10. Dezember konnte die Regierung von Donald Tusk es der Europäischen Kommission abringen, dass der Geldtransfer von öffentlichen Geldern in private Rentenversicherungen nicht in die Berechnung der Staatsverschuldung oder des Haushaltsdefizits mit einberechnet wird.

Damit werde sich die Verschuldung auf nur 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beziffern, anstelle von 54 Prozent, rechnet Dziennik Gazeta Prawna vor. Allerdings, so meint das Blatt „kann der Erfolg der Regierung sich als Fluch erweisen“, denn die neue Rechnungslegung ändere faktisch nicht die Höhe der Verschuldung und „könnte für die Regierung nur ein Vorwand sein, ungestraft die Staatsverschuldung noch weiter zu erhöhen.“

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