Train de nuit "Palatino" Paris-Rome en Gare de Lyon, en 1970.

Endstation für Europas Nachtzüge?

Veröffentlicht am 13 November 2014 um 10:00
Train de nuit "Palatino" Paris-Rome en Gare de Lyon, en 1970.

Nachtzüge, in denen eine ganze Generation junger Europäer ins Ausland reiste (wer erinnert sich noch an den Interrail-Pass?) sind vielleicht schon bald nicht mehr als eine Erinnerung.

Das französische Wirtschafts- und Umweltmagazin Terra Eco stellt fest, dass einige Anbieter vor Kurzem beschlossen haben, ihre Nachtzüge einzustellen, darunter auch Elipsos; das Unternehmen beschloss im vergangenen Dezember, „seine Strecke zwischen Frankreich und Spanien einzustellen, dann die Strecke zwischen der Schweiz, Spanien und Italien.“ Anfang Oktober berichtete das International Railway Journal, dass die Deutsche Bahn, einer der größten Anbieter von Nachtzügen, seine Nacht-Angebote nach Frankreich, der Schweiz und Dänemark ebenfalls einstellen würde.

Zwar haben Billigfluglinien, veraltetes Material, hohe Verwaltungskosten und betriebliche Komplikationen einen Anteil an den Streichungen – das International Railway Journal stellt jedoch auch fest, dass die europäische Gesetzgebung zum Bahnverkehr den Sektor liberalisiert hat.

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Es erscheint schon ironisch, dass die Europäische Kommission Milliarden von Euro in die Entwicklung grenzüberschreitender Bahninfrastrukturen pumpt, während gleichzeitig internationale Verbindungen still und leise beschnitten werden, weil es keine Vision für deren Weiterbetrieb gibt. Dies ist ein Schlag ins Gesicht für die EU-Politik zur Verkehrsverlagerung und Kohlenstoffreduzierung und zwingt Bahnreisende in Kurzstreckenflüge.

Wenn die Erschließung des „enormen Potenzials“ für den Tourismus eine „gemeinsame Vision für den Weiterbetrieb“ erfordere, schlägt die Zeitschrift einen „pragmatischeren Ansatz“ vor, beispielsweise „Mehrwertdienste wie Premium-Abteile, Werbeaktionen und einfache Buchungsmöglichkeiten“.

Derzeit scheint laut Terra Eco nur Thello zu prosperieren: Das Unternehmen hat das jährliche Passagieraufkommen auf der Strecke Paris-Mailand-Venedig von 200.000 im Jahr 2010 auf „mindestens 340.000“ (Schätzung für 2014) gesteigert. Der Wirtschaftswissenschaftler Yves Crozet meinte gegenüber der französischen Zeitschrift jedoch, „Thellos Nachtverbindung zwischen Paris und Venedig ist ein besonderer Service mit hohem romantischem Flair“, und somit ein Zeichen, dass Nachtzüge sich zu einem luxuriösen Nischenmarkt entwickeln: „Sie gehören der Vergangenheit an, wie die Atlantiküberquerung auf dem Seeweg.“

Deutsche Übersetzung von Heike Kurtz, DVÜD

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