„Draghi sichert zu, dass die EZB den Euro retten wird“, meldet der Corriere della Sera und betont, dass die Mailänder Börse nach der Erklärung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank 5,62 Prozent zugelegt hätte. Am 27. Juli konnte Rom sich 8,5 Milliarden Euro über sechs Monate zu 6 Prozent verschaffen. Für die Tageszeitung beweist diese Tatsache eine „banale Wahrheit“:
Es stimmt nicht, dass die Staaten ohne Geld und die Zentralbanken mit Zinssätzen, die auf beinahe 0 Prozent gefallen sind, die Konjunktur nicht ankurbeln können. Sie können es und haben es auch schon getan, und zwar auf einfache, aber raffinierte Art, indem sie Verpflichtungen für die Zukunft eingehen.
Diese Lösung wählte bereits der Präsident der US-Notenbank Ben Bernanke, als er versprach, bis mindestens 2014 den Zinssatz auf 9 Prozent zu belassen, bemerkt der *Corriere della Sera*. Draghi und Bernanke setzen also Psychologie ein, um der Wirtschaft zu helfen.
Draghi druckt kein neues Geld und versetzt keine neuen Liquiditätsspritzen, er beruhigt die Märkte und bietet ihnen ein heute sehr selten gewordenes Gut: Vertrauen.
In Madrid freut sich *El País* darüber, dass „der Finanzsturm über Spanien“ sich mit einer einzigen Geste der EZB gelegt hat. Die „Zauberworte“ Mario Draghis zeigten sofort ihre Wirkung. Die Börse von Madrid legte 6 Prozent zu und der Zinssatz der zehnjährigen Staatsanleihen fiel unter die 7-Prozent-Schwelle. Dennoch fragt sich die Tageszeitung:
Warum hat die EZB nicht früher reagiert? Viele meinen, die EZB wollte Spanien für das mangelhafte Management der Finanzkrise bestrafen. Als die Strafe auch Italien traf, musste die Notenbank ihre Politik neu orientieren und das von den Politikern geforderte Ziel verfolgen, nämlich der Spekulation mit Staatsanleihen die Luft aus den Segeln nehmen. Es wäre auch möglich, dass Draghi erst jetzt gesprochen hat, weil die Rettung der spanischen Banken nicht mehr aufgeschoben werden kann und der Stabilitätsmechanismus einsatzbereit ist [...] Draghis beruhigende Erklärung ist der erste Schritt, den wir als Beweis auslegen sollten, dass die Europäische Kommission bereits die Form und den Einsatzbereich des neuen Stabilitätsmechanismus beschlossen hat [...] Die Annahme, dass die EZB bereit ist, zu intervenieren, hat die Spekulation gegen den Euro beendet und einstweilen das Risiko eines Zusammenbruchs des Euroraums gebannt. Sie garantiert aber nicht, dass Spanien endgültig einer Intervention [einem globalen Rettungsschirm] entgehen kann.
El Mundo stellt ebenfalls fest, dass „Draghis Zauberworte die Märkte euphorisch gestimmt haben“.
Gestern hat der EZB-Chef seinem Spitzamen Supermario endlich Ehre gemacht. Die Tatsache, dass eine einfache Erklärung zu einer solchen Reaktion [der Märkte] führen kann, beweist die Macht der EZB. [...] Es bleibt zu sehen, wie weit die EZB künftig gehen wird, um unsere Wirtschaft zu unterstützen, aber die Erklärung lässt vermuten, dass Draghi auf Angela Merkels Unterstützung zählt, damit Spanien und Italien nicht unter dem Druck der Märkte zusammenbrechen.
Die Reaktionen aus Deutschland sind gedämpfter. In Berlin klagt *Die Welt*, „die EZB entpuppt sich als Trojanisches Pferd“. Die konservative Tageszeitung findet, dass Mario Draghi die EZB, die einst „für ein neues Europa, für ein Europa der Reformen, der Prinzipien, des stabilen Geldes“ stand, in eine Organisation verwandle, deren Ziel „eine gigantische Umverteilung zulasten des Nordens“ sei und den demokratischen Prozessen zuwiderlaufe.
[Die Reaktion der Märkte] ist nichts als ein Strohfeuer. Internationale Investoren haben der Euro-Zone den Rücken gekehrt, und in London wundert man sich inzwischen, wie viele reiche Griechen dort teure Häuser kaufen. Das Vertrauen ist dahin, das Kapital verlässt Europa. Und die EZB steht bereitwillig da, die Lücken in den Bilanzen der Banken und Staaten zu stopfen. Sie begründet das stets damit, dass nur sie als einzig funktionierende Institution in Europa dieser Vertrauenskrise noch ein Ende setzen kann. Die vermeintlichen Hüter des stabilen Geldes machen es so aber immer schlimmer.
Die Süddeutsche Zeitung bemerkt ihrerseits:
Im Kern geht es darum, ob die EZB spanische Staatsanleihen aufkauft, um so die Zinsen für das Land zu senken. Draghi und Kollegen haben bereits 210 Milliarden Euro in gefährliche Staats-Bonds investiert; gebracht hat es wenig. Der politische Ruf nach der EZB ist verständlich. Die Währungshüter verfügen theoretisch über unbegrenzte Finanzmittel. Das macht sie in dieser kritischen Lage so stark und gleichzeitig so schwach. Stark deshalb, weil die Notenbank das lodernde Feuer an den Finanzmärkten schnell löschen könnte. Schwach deshalb, weil das keines der Probleme lösen würde. Ganz im Gegenteil: In den Krisenstaaten wäre nach den Löscharbeiten wohl bald Schluss mit dem Reformwillen.
The Guardian betont, dass Mario Draghis Versprechen, alles zu tun, um den Euro zu retten, zwar großzügig, aber leider nicht sehr detailliert sei:
Wie beim Pokerspiel genügt es leider nicht zu behaupten, man hätte gute Karten, um den anderen Angst einzuflößen. Sie wollen sie dann auch sehen [...] War er dabei das Recht in Anspruch zu nehmen, Staatsanleihen aufzukaufen, wenn die Märkte sich nicht schicklich benehmen, das heißt Spanien und Italien kein Geld zu niedrigeren Zinssätzen leihen? [...] Es gibt aber einen guten Grund, warum die EZB seit Monaten das Kaufprogramm eingefroren hat. Alle Programme, die nach heimlicher Finanzierung der Staaten riechen, werden nämlich unter anderem von Deutschland abgeschmettert. [...] Angesichts der mangelnden Klarheit kann seine Erklärung auf unterschiedliche Weise ausgelegt werden. So zum Beispiel: Sind die Chefs des Euroraums einfach dabei, die Märkte im Sommer zu beruhigen, um genügend Zeit für die Ausarbeitung eines Rettungsschirms für Spanien herauszuschlagen?