Europäischer Rat

“Viel Diskussion, wenig Geld”

Um gegen die Jugendarbeitslosigkeit vorzugehen, legen die 27 EU-Mitgliedsstaaten sechs Milliarden Euro auf den Tisch, die bis 2016 ausgegeben werden sollen. Diese erste Geste wird allerdings nicht ausreichen, um eine Erscheinung einzudämmen, die knapp sechs Millionen junge Europäer betrifft – das meint zumindest die europäische Presse.

Veröffentlicht am 28 Juni 2013 um 15:20

Ein anderer Punkt auf der Tagesordnung des Gipfels ist die Freischaltung des EU-Haushalts 2014-2020. Sie wurde bis zum letzten Moment ausgesetzt, denn London droht, dagegen zu stimmen, falls der Rabatt für den britischen Beitrag nicht beibehalten wird.

Les Echos begrüßt „die sechs Milliarden Euro“, die „Europa für die Beschäftigung der Jugend auf den Tisch gelegt hat“. Die Wirtschaftszeitung erinnert an die Bedingungen, aufgrund derer die 27 gelassen das angehen, „was sie zu einer Priorität gemacht haben“:

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Nach einer Woche angespannter Beziehungen zur Europäischen Kommission nun eine Beschwichtigungsbereitschaft von Seiten Frankreichs; nach monatelangen, harten Verhandlungen ein Kompromiss der letzten Minute über den EU-Haushalt; nach mehr als einjähriger Diskussion kurzfristig noch ein Abkommen der Finanzminister über die Regelung von Bankenkonkursen.

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Bei der Lissabonner Tageszeitung Público kritisiert José Manuel Fernandes die aufeinanderfolgenden EU-Gipfel, von denen es seit 2010 heißt, sie würden „den Euro retten und die Apokalypse verhindern“:

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Ein neuer Juni, ein neuer EU-Gipfel. Dazu eine Handvoll von fast allem. Das Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist nicht nur lächerlich limitiert hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Mittel, sondern es wird vor allem nicht Neues bringen – das heißt mehr vom alten, erprobten Rezept mit äußerst geringen Resultaten, im Kontext der gescheiterten „Lissabon-Strategie“. Doch es scheint das Höchste zu sein, zu dem Europa heute fähig ist.

"Ein Jahr und 1,7 Millionen zusätzliche Arbeitslose später schlägt Europa das gleiche Rezept vor.", bedauert El País, für die die Entscheidung, zwischen 2014 und 2016 weitere 6 Milliarden Euro und bis 2020 weitere 2 Milliarden gegen die Arbeitslosigkeit einzusetzen "relativ bescheiden" ist und auf "kleine Anreize" baut:

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Sechs Jahre nach Ausbruch der Krise sind 27 Millionen Europäer ohne Arbeit. Das entspricht der Bevölkerung von Belgien, Österreich, Dänemark und Irland zusammen, die mit verschränkten Armen und ohne Arbeit dasteht. Unter diesen Arbeitslosen befinden sich fast eine halbe Millionen in Spanien, dem eigentlich Krisenstaat der Arbeitslosigkeit auf dem Kontinent. Und das Wachstum glänzt durch Abwesenheit.

„Arbeitsplätze für junge EU-Bürger: viel Gerede, wenig Geld“ schreibt Gazeta Wyborcza über das „Jugendgarantie-Programm“ der EU gegen Arbeitslosigkeit. Die fünf Milliarden Euro, die zwischen 2014 und 2020 ausgegeben werden sollen, reichen nicht, erklärte André Sapir vom Breugel Centre der Tageszeitung:

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Projekte, die nur auf junge Leute zugeschnitten sind, werden keinen „großen Unterschied“ machen, denn das Problem hängt mit der Arbeitslosigkeit in allen Altersgruppen zusammen, sowie mit dem Wirtschaftswachstum – beziehungsweise dem Mangel daran. Mir ist klar, dass unsere „Jugendgarantien“ nur Kleinbeträge sind, denn ohne ein rückkehrendes Wirtschaftswachstum werden sie keine neuen Arbeitsplätze schaffen.

„EU-Mittel fast sicher“, titelt die Gazeta Wyborcza und betont, dass Polen beim Haushaltskompromiss, der am 27. Juni beim EU-Gipfel erreicht wurde, am besten wegkommt. Insgesamt wird Warschau zwischen 2014 und 2020 105,8 Milliarden Euro aus dem gemeinsamen Haushalt erhalten. Die endgültige Abstimmung im Europäischen Parlament kann jedoch, wie die Warschauer Tageszeitung schreibt, erst in mehreren Wochen stattfinden.

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Das Europäische Parlament wird Dienstag oder Mittwoch nächster Woche über die nicht verbindliche Entschließung zugunsten des Haushaltstexts abstimmen. Doch die EU-Abgeordneten werden Rechtsakte in Bezug auf den Siebenjahreshaushalt (2014-2020) erst nach der Sommerpause formell genehmigen, da sie nicht bis nächste Woche vorbereitet werden können. [...] So lange die EU-Staaten ihr Versprechen halten und die Mittel für dieses Jahr leicht erhöhen, ist es höchst wahrscheinlich, dass die Abstimmung über den nächsten Siebenjahreshaushalt positiv ausfällt.

Die Konferenz, bei welcher die „führenden Politiker gerne bereit waren, im Vorfeld getroffene Abkommen einfach abzusegnen“, lief zeitweise Gefahr umzuschlagen: Der britische Premierminister David Cameron verlangte die Zusicherung, es werde keine Änderung des umstrittenen Beitragsrabatt für Großbritannien geben, so berichtet European Voice. Die Website erinnert sich:

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Der Rabatt, der von der verstorbenen Margaret Thatcher in den 80er Jahren ausgehandelt wurde, garantiert, dass Milliarden von Euro, die Großbritannien in den EU-Haushalt einzahlt, wieder in die britischen Staatskassen zurückfließen. Bei den Gipfeln von Dezember und Februar widersetzte sich Großbritannien erfolgreich der französischen Aufforderung, den Rabatt aufzuheben oder zu reduzieren. Doch seither drängt Frankreich weiter auf eine Änderung, die – nach britischer Rechnung – die britische Regierung dazu zwingen könnte, zusätzliche 351 Millionen Euro in den Siebenjahreshaushalt der EU einzuzahlen.

Alles in allem, so schreibt Adriana Cerretelli von Il Sole 24 Ore, sind die Maßnahmen, auf die man sich in Brüssel geeinigt hat, nicht bahnbrechend. Die EU bewege sich immer noch „im Elefantentempo“ im Vergleich zur Dynamik ihrer Konkurrenten, allen voran der USA.

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Die Freischaltung des EU-Haushalts 2014-2020 bietet konkrete Mittel zum Handeln. Doch sie sind objektiv gesehen sehr knapp. [...] Die sechs Milliarden werden auf zwei Jahre und 5,6 Millionen junge Arbeitslose unter 25 Jahren aufgeteilt. Europa schiebt sich immer zentimeterweise vorwärts: ein bisschen Unterstützung für die Notleidenden, aber nie genug. Ein paar unbedeutende, vor allem symbolische Wachstumsoffensiven. Weil jedes Land lernen muss, alleine zurechtzukommen und seine eigene Entwicklung zu schaffen oder danach zu suchen.

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