Presseschau Politische Krise in Portugal
Portugals Premier Pedro Passos Coelho. Auf der Mauer „Finanzministerium, „Außenministerium”.

Harakiri einer Koalition

Der Rücktritt des Finanzministers Vitor Gaspar am 2. Juli und wenig später des Außenministers Paulo Portas – der vom Ministerpräsidenten scharf kritisiert wurde – bringt die Regierung unter Pedro Passos Coelho in starke Bedrängnis und gefährdet die mit den Gläubigern ausgehandelten Reformen, meinen die portugiesischen Printmedien.

Veröffentlicht am 3 Juli 2013 um 15:22
Portugals Premier Pedro Passos Coelho. Auf der Mauer „Finanzministerium, „Außenministerium”.

„Das Ende der Koalition“, stellt Diário de Notícias auf der Titelseite fest „Das Land hat seine politische Leitung verloren, die am 5. Juni 2011 von den Wählern bestimmt wurde: die Koalition zwischen der sozialdemokratischen PSD und der rechtskonservativen Partei CDS-PP“ von Portas. „Diese Mehrheit“, meint die Zeitung,

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war politisch in der Lage, für die nötige Stabilität und Durchsetzungskraft zu sorgen, mit der so harte Maßnahmen wie die allgemeine Steuererhöhung, die Privatisierung der meisten staatlichen Unternehmen und die schwierige Reform der staatlichen Institutionen durchgeführt werden können. [Der zweifache Rücktritt] macht die Verbindung zwischen der Wahl vor zwei Jahren und der Legitimität der aktuellen Regierung und politischen Exekutive zunichte.

„Die seit Montag tobende Regierungskrise ist nicht tragisch, sondern eher pathetisch. Und es gibt keine Lösung”, meint Público. Die Zeitung titelt „Portas treibt Passos in die Enge” und behauptet:

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Die Regierung ist an ihren internen Spannungen und der Inkompetenz eines Ministerpräsidenten zerbrochen, der unfähig ist, ihren Zusammenhalt zu gewährleisten. […] Wir waren Zuschauer des Harakiris einer Koalition. […] Die Regierung war nicht in der Lage, sich auf die Strukturreformen, die das Land dringend benötigt, zu einigen. Die Selbstzerstörung des guten Schülers der Sparpolitik erschüttert Europa, aber es wird hinnehmen müssen, dass vorgezogene Wahlen der einzige Ausweg aus dieser Lage sind. Die portugiesische Regierungskrise hat schwerwiegende Auswirkungen auf die europäische Debatte über die Rettungspläne und untermauert die Position derjenigen, die die Peripherieländer sich selbst überlassen wollen. Die Verantwortungslosigkeit von Passos und Portas wird die europäische Krise vertiefen.

„Portugal könnte einen neuen Rettungsplan benötigen“, titelt Jornal de Negócios, das sich um die Folgen der politischen Krise sorgt. „Was wird geschehen? Wie kann das Chaos vermieden werden?“, fragt die Zeitung. „Nur auf politischem Weg“, lautet die Antwort:

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Sind die Zentrumsparteien fähig, die Portugiesen um ein Projekt zu versammeln, wenn sie denn überhaupt ein Projekt haben? […] In allen europäischen Ländern, die einen strengen Sparkurs fahren, scheitern die gemäßigten politischen Parteien. Dieser Misserfolg bringt das gesamte europäische Projekt in Gefahr. In mehr als der Hälfte der Unionsländer wurden die Regierungen seit dem Ausbruch der Staatsschuldenkrise gestürzt. [...] Wir leben in einer Zeit, in der die Außenminister von Finanzministern abgelöst werden und der Großteil der politischen Entscheidungen nicht mehr vom Parlament im Land selbst, sondern von europäischen Institutionen getroffen werden, von denen nur die Angeordneten im Europäischen Parlament von den Bürgern gewählt sind. Die Lösung für die Wirtschaft muss europäisch sein, in einem demokratischen Föderalismus, die mit oder gegen Deutschland voranschreitet. Aber in Portugal geht es nicht nur um die politische Führerschaft der Parteien, sondern um ein politisches Regime, das allmählich zerfällt.

Diário Económico verleiht den Befürchtungen der Wirtschaft seine Stimme und titelt: „Unternehmer und Banken sind gegen vorgezogene Wahlen“. Das Finanzblatt schreibt:

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In den nächsten Tagen werden die Portugiesen wieder an die Zustände erinnert werden, die sie vor wenig mehr als zwei Jahren erlebt haben, als die Regierung unter José Sócrates das Ausland um Hilfe bat. [...] Diejenigen, die vorgezogene Wahlen verlangen, werden ihre Forderungen durchsetzen, jetzt stellt sich nur noch die Frage, zu welchem Preis. Vor 48 Stunden war Portugal dabei, allmählich wieder an die Finanzmärkte zurückzukehren. Dem Land wurde dabei geholfen, aber der Schritt war deswegen nicht minder wichtig. Es sollte eine neue Hilfstranche erhalten [...], aber wer wird sie uns in diesem Chaos leihen? Und zu welchem Preis? Während Griechenland seinen Verpflichtungen wieder einmal nicht nachkommt und Deutschland in den Wahlkampf zieht, ist es nicht schwierig sich vorzustellen, was unsere Gläubiger, allen voran der IWF, von uns verlangen werden.

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