Bundestagswahlen 2013

Europa liegt Merkel „zu Füßen”

Ein drittes Mandat mit einer nahezu absoluten Mehrheit: Mit der Bundestagswahl am 22. September hat die deutsche Bundeskanzlerin ihre Rolle sowohl im eigenen Land als auch auf dem ganzen Kontinent gestärkt. Was aber wird sie mit dieser Macht machen?, fragt sich die europäische Presse.

Veröffentlicht am 23 September 2013 um 12:15

„Angela Merkel eliminiert ihre politischen Rivalen”, berichtet Rzeczpospolita. In ihrem Leitartikel betont die polnische Tageszeitung, dass die „einflussreichste Frau der Welt” in ihrer dritten Amtszeit zeigen wird, wie sie Deutschlands außergewöhnliche Leistungsfähigkeit in der EU nutzen wird.

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Die dritte Amtszeit ist die Gelegenheit, zu zeigen, dass Deutschland in allen Bereichen eine Vormachtstellung eingenommen hat. Wird [das Land] an die pro-europäischen Traditionen früherer Bundeskanzler anknüpfen oder wird es sich immer gefährlicher dem Bild annähern, das sich während der Demonstrationen in Griechenland auf den Transparenten in seiner drastischsten Version zeigte: Eine Merkel mit dem Schnurrbart des Führers [...] Es ist Angela Merkels Aufgabe, dem Traum an die Attraktivität der EU für die zukünftigen Generationen neues Leben einzuhauchen.

Angela Merkel „triumphiert”, hat aber einen Sieg davon getragen, der ihr viele Pflichten aufbürdet, meint Les Echos in Paris. Nach einem "schwammigen” Wahlkampf fragt sich das französische Wirtschaftsblatt, was die Bundeskanzlerin wohl unternehmen wird?.

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Die Antwort hängt unter anderem davon ab, ob die Kanzlerin in der Lage sein wird, allein oder mit den Sozialdemokraten zu regieren. Diesbezüglich muss der Elysee-Palast einen Rückschlag hinnehmen, denn dort hatte man lange Zeit gehofft, dass Angela Merkels Gegener gewinnen werden, bzw. eine große Koalition ihr die Hände binden würde. [...] Vom außenpolitischen Standpunkt betrachtet kann Berlin sich in Zukunft nicht mehr damit begnügen, so vage, inhaltslose und großzügige Reden über die Organisation Europas zu halten wie bisher. Genau diese Kriterien werden darüber entscheiden, ob Angela Merkel es auf die Liste der Bundeskanzler schafft, welche in die Geschichte eingegangen sind.

„Merkel gewinnt spielend”, titelt La Stampa. Die Tageszeitung aus Turin berichtet vom „Plebiszit” für die Partei der Bundeskanzlerin und hebt hervor, dass sich auch die SPD wacker geschlagen hat. Die Niederlage der AfD und der Absturz der Grünen, beweist, dass die Krise der traditionellen Parteien, wie sie in anderen Teilen Europas diagnostiziert wurde, hier keinen Einzug gehalten hat. In den Augen der Tageszeitung wird es

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...in Deutschland keinen politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Kurswechsel geben. Den Sozialdemokraten fehlt es an alternativen Ideen. Und das wird auch in Zukunft so bleiben – egal was Steinbrück sagt. Das wichtigste Ergebnis der gestrigen Bundestagswahl ist, dass es in Deutschland keine alternative Politik zu derjenigen gibt, die in den vergangenen Jahren von Merkel durchgesetzt wurde. Wahre und tonangebende Gesprächspartner gibt es wohl nur in Europa.

Von nun an liegt Europa Angela Merkel „zu Füssen”, titelt El Periódico. In den Augen der Tageszeitung aus Barcelona ist die Bundeskanzlerin

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...die Überlebende der Krise, der Sarkozy, Zapatero, Sócrates, Monti und Berlusconi zum Opfer gefallen sind [...]. Für Europa steht eines fest: Von nun an wird die Kanzlerin, auf die in nächster Zeit keine andere Wahl mehr zukommt, wieder viel mehr Entscheidungen treffen. Unklar aber ist, wie diese aussehen und in welche Richtung sie gehen werden, auch wenn sie bereits ‚nein’ zu den Eurobonds und der Vergemeinschaftung der Schulden gesagt hat. Wird sie Europa leiten und ein deutsches Europa oder vielmehr ein europäisches Deutschland wollen?

Unterdessen berichtet die Financial Times zwar darüber, dass „Merkel das großartige Ergebnis begrüßt”, meint aber auch, dass man sich nicht zu viel von der Kanzlerin versprechen sollte. In den Augen des Kolumnisten Wolfgang Münchau, hätte sich Angela Merkel kein besseres Ergebnis vorstellen können, auch wenn ihr zur absoluten Mehrheit ein paar Stimmen fehlen:

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Sie wird an der Macht bleiben. Aber daran hat auch nie jemand gezweifelt. Allerdings hat sie auch ein anderes Ziel erreicht, das sie sich gesteckt hatte: Sie hat die drei Parteien aus dem linken Lager daran gehindert, für die kommende Legislaturperiode eine Koalition einzugehen. So bekommen die Deutschen, was sie sich gewünscht haben: Eine Koalitionsregierung auf breiter Basis mit einer Anführerin, die nicht wirklich weitblickend in die Zukunft schaut. Nur ein Dummkopf würde glauben, dass die Wahl die deutsche Kanzlerin davon überzeugt hat, einen großen Sprung nach vorn zu wagen und die Krise ein für alle Mal zu lösen. Nach der Wahl werden die Dinge nicht wirklich anders sein als vor der Wahl.

Aber immerhin sei es Angela Merkel stets gelungen, die Spannungen in Europa in die richtigen Bahnen zu leiten, hebt der Kolumnist René Cuperus in der niederländischen Tageszeitung De Volkskrant hervor:

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Was die Spannungen und populistischen Kräfte in Europa angeht ist Merkel der Korken in der Flasche. Während die Politik in den Niederlanden immer instabiler geworden ist, strahlt Merkel in Deutschland absolute Ruhe aus. Und genau auf diese Weise geht sie auch die Probleme an und macht einen Schritt nach dem anderen.

Griechenland blickt unterdessen besorgt auf die Ergebnisse der deutschen Bundestagswahl. Auf ihrer Internetseite stellt das Wochenblatt To Vima fest, dass...

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Die Deutschen die Vormachtstellung ihres Landes in Europa kräftig bestärkt haben [und weist darauf hin, dass diese Vorherrschaft] auf den Ruinen des südlichen Teils des einst „vereinten” Alten Kontinents aufbaut. Es war klar und vorhersehbar: Mit ihrer Politik und ihrem Schuldenkrisen-Management hat Angela Merkel zwar einen Großteil Europas in den Abgrund gerissen, den Deutschen Europa aber gleichzeitig auf dem Tablett serviert. [...] Einmal mehr muss Athen seine falschen Hoffnungen begraben. Merkel hat bereits deutlich gemacht, dass dem Druck, der auf Griechenland lastet, nicht nachgegeben wird.

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