Nachrichten EU-Staatsbürgerschaft

Der hochwertigste Pass aller Zeiten

Die Entscheidung Maltas, seine Staatsbürgerschaft für 650.000 Euro zu verkaufen, zeigt zwei grundsätzliche Wahrheiten auf: Einerseits ist der europäische Pass trotz der Finanzkrise einer der meistgefragtesten der ganzen Welt. Andererseits hat Humankapital von nun an genau den gleichen Wert wie Finanzkapital.

Veröffentlicht am 12 Dezember 2013 um 14:44

Für Menschen, die nicht aus der EU stammen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, einen EU-Pass zu erwerben. Zum einen kann ihr Land der EU beitreten. Diesen Weg ging Kroatien im Juli [2013]. Und in der Ukraine wünschen sich viele Menschen, genau diesen Weg einzuschlagen. Zum anderen können sie sich mutig zeigen und die beschwerliche Durchquerung des Mittelmeeres auf sich nehmen – in der Hoffnung, dass ihnen irgendwo politisches Asyl gewährt wird. Oder aber sie unterzeichnen ganz einfach einen Scheck.

Maltas Idee, seine Staatsbürgerschaft für 650.000 Euro zu verkaufen, ist keinesfalls neu. Zypern bietet seinen Pass für drei Millionen Euro an und wir in Großbritannien haben ein Verfahren, in dem die Menschen mehr als eine Million Euro investieren, um möglicherweise eine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung zu ergattern, aus der wiederum eine Staatsbürgerschaft werden könnte. Und andere EU-Länder haben wieder andere Prozeduren, die dazu dienen, Menschen mit Aufsicht auf eine Staatsbürgerschaft anzulocken.

Allerdings ist das Vorhaben Maltas, das letzten Monat von der neuen Regierung auf den Weg gebracht wurde, so explizit wie kein anderes. Zwar werden [die Kandidaten] gründlich unter die Lupe genommen, aber alles in allem soll das Verfahren offenbar recht einfach sein. Den Aussagen des [maltesischen] Ministerpräsidenten Joseph Muscats zufolge zielt das Projekt darauf ab, „hochwertige” Einzelpersonen anzuwerben, die auf der Insel Investitionen tätigen werden. Schätzungen zufolge sollen mit diesem Geschäft jährlich bis zu 300 Menschen angezogen werden. Und während der erste Pass nur für eine Person ausgestellt wird, kann er bzw. sie anschließend zusätzliche Staatsbürgerschaften für seine bzw. ihre Familie erwerben – für den erschwinglichen Preis von 25.000 Euro pro Person. Die Inhaber dieser Pässe verfügen dann über alle EU-Rechte und können jeden der [28] Mitgliedsstaaten bereisen und dort arbeiten.

US-Pass verliert an Attraktivität

Das mag alles ein bisschen so aussehen, als wären [die Malteser] geldgierig. Und in gewisser Weise mag das auch stimmen. Vor allem aber offenbart das Ganze, wie unsere Welt wirklich tickt. Und so offenbaren sich ganz unterschiedliche Wahrheiten:

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Erstens – und das sollte unbedingt Freude auslösen – ist ein EU-Pass wohl der beste, den man weltweit besitzen kann. Die britische Version ist sogar noch ein bisschen besser als die meisten anderen, weil sie ihren Inhaber ganz ohne Visumspflicht in noch ein paar mehr Länder reisen lässt. Aber der schweizerische Pass oder die norwegische Ausführung sind auch sehr gut. Im Vergleich dazu ist ein US-amerikanischer Pass gar nicht so brauchbar. Aus zweierlei Gründen: Zum einen verhängt eine ganze Reihe von Ländern die Visumspflicht nach dem Motto ‚wie Du mir, so ich Dir’, womit sie auf die US-amerikanischen Grenzkontrollen reagieren. Zum anderen – und das spielt eine immer wichtigere Rolle – sind die US-amerikanischen steuerlichen Vorschriften und Meldepflichten ganz besonders für alle im Ausland lebenden US-Amerikaner unheimlich anstrengend, die im Ausland wohnen. Noch handelt es sich um einen verschwindend kleinen Bruchteil, aber [[die Anzahl der US-Staatsbürger, die ihre Pässe zurückgeben, ist in den vergangenen drei Jahren deutlich angestiegen.]]

Zweitens bemühen sich die Länder inzwischen darum, Humankapital ebenso wie materielles und finanzielles Kapital anzulocken. Vor knapp einer Generation wetteiferten die Länder noch miteinander, um ausländische Unternehmen davon zu überzeugen, ihre Fertigungsanlagen in ihrem Land zu bauen. Dafür gewährten sie ihnen meist attraktive Zuschüsse. Inzwischen aber hat sich der Schwerpunkt verlagert. Heutzutage werden ganz allgemeine finanzielle Anreize geschaffen. Auf diese Weise ist eine Welt entstanden, in der Unternehmen wie Google und Amazon überall nur geringfügige Körperschaftssteuern bezahlen. In dieser Hinsicht hat sich vor allem Irland erfolgreich durchgesetzt.

Die Besten ins Land locken

Heutzutage heißt das Ziel: Humankapital, d. h. schlaue, talentierte und wohlhabende Menschen, für die wir es bewerkstelligt haben, eine Welt zu schaffen, in der Unternehmen und Geld in Lichtgeschwindigkeit Grenzen überschreiten können, während die menschliche Mobilität noch immer mit erheblichen Hindernissen fertig werden muss. Im Großen und Ganzen sind die Orte, an denen die Bürger der entwickelten Welt ihre Schwierigkeiten hätten, Arbeit zu finden, solche Orte, an denen wir nicht unbedingt verweilen wollen. Für Menschen, die weniger Glück bei der Vergabe ihres Geburtsortes hatten, ist die Welt keineswegs ein einziges globales Ganzes. Der Zugang zu den meisten Gegenden der Welt bleibt zahlreichen Erdenbürgern versagt. Wir betrachten die Welt mit unseren privilegierten Augen. Für andere sieht sie aber ganz anders aus.

[[Für viele Menschen ist es ein befremdlicher Gedanke, sich vorzustellen, dass die Staatsbürgerschaft wie eine Ware gehandelt wird]], die man einfach so wie jede andere käuflich erwerben kann. David Hanson – der Schattenminister für Einwanderung – erklärte, dass ihm der maltesische Vorschlag „ernsthafte Sorgen” bereite.

„Es besteht das Risiko, dass sich das Ganze zu einer Hintertür-Strategie entwickelt, mithilfe der man sich irgendwo in der EU niederlassen kann. Und das ist weder eine restriktive noch eine geeignete Einwanderungspolitik”, erklärte er gegenüber der Financial Times. Allerdings bietet sie folgenden Vorteil: Sie schafft Klarheit. Denn sie ist in der Tat ein legaler Weg durch die Vordertür, über den eine Staatsbürgerschaft erworben werden kann, anstatt das aktuelle und unberechenbare System durchlaufen zu müssen, das trotz aller Bemühungen recht willkürlich ist.

Darüber hinaus zwingt es Europa auch dazu, sich mit einigen schwierigen und schmerzhaften Fragen auseinanderzusetzen. Beispielsweise: Für welchen Typ von Menschen will es attraktiv sein und für welchen nicht? Wen werden wir willkommen heißen und welche Personen gehören vielmehr der Kategorie an, die fernbleiben soll?

In den Augen vieler Menschen in den übrigen Regionen der Welt ist Europa eine Erfolgsgeschichte. Inmitten all den aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den südlichen Gegenden des Kontinents ist das etwas, das wir uns vergegenwärtigen und an das wir uns stets erinnern sollten.

Aus Sicht der Financial Times

Löst Malta einen Wettlauf nach unten aus?

Der Leitartikel der Financial Times beklagt Maltas Entscheidung, seine Aufenthaltsgenehmigungen für Geld feilzubieten, weist aber darauf hin, dass mehrere Länder, darunter Großbritannien, Griechenland und Portugal, ihre Staatsbürgerschaft im Austausch für Investitionen anbieten. Der FT zufolge dürfte allerdings

Maltas Vorgehensweise in der EU Anlass zur Besorgnis geben. [...] Brüssel steht es sicher nicht zu, über Fragen der Staatsbürgerschaft in den einzelnen Ländern zu entscheiden. Aber die 28 europäischen Regierungen sollten sich auf gemeinsame Standards für die Passvergabe an Nicht-EU-Bürger einigen und vor allem eine erforderliche Mindestaufenthaltsdauer festlegen. Ohne entsprechende Maßnahmen werden sich die EU-Regierungen in einen Wettlauf nach unten begeben, um zu sehen, in welchem Land es für reiche Investoren am einfachsten ist, einen Pass zu erhalten. Das spielt aber nur denen in die Hände, die gegen den freien Personenverkehr innerhalb der EU sind.

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