Ein Gesicht für den Euro

Veröffentlicht am 11 Januar 2013 um 16:04

Was schimmert grau, braun und grün, ist weich und passt in eine Hosentasche? Der neueste Witz von Mario Draghi, würden einige betrübte und verbitterte Geister nun sagen. Es geht um den neuen 5-Euro-Schein, der diesen Donnerstag vorgestellt wurde. Er ist gleichzeitig der banalste und konkreteste Beweis dafür, dass die europäischen Behörden in ihrem Glauben an die Zukunft der Einheitswährung unerschütterlich bleiben. Was könnte für die öffentliche Meinung, die nationalen Politiker und die Finanzmärkte symbolischer sein, als die Einführung einer neuen Banknote?

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) zog es vor, den Akzent auf die graphische Neuheit des Scheines zu legen: Das Wasserzeichen ist ein menschliches Gesicht, das der Europa, für das eine griechische Keramik aus dem Louvre-Museum in Paris herhielt. Bis jetzt waren auf den Euro-Scheinen imaginäre Bauten zu sehen, die die Geschichte der europäischen Architektur von der Antike bis heute illustrierten.

Bei der Einführung der Einheitswährung nahmen die europäischen Politiker nach langer Überlegung Abstand von der Abbildung realer Persönlichkeiten und Monumente. Mit welchem Recht hätten Goethe, Cervantes oder Victor Hugo eher den 500-Euro-Schein geziert als den 10-Euro-Schein? Warum sollte man eher das Kolosseum als die Akropolis berücksichtigen (oder umgekehrt)? Um keine nationalen Gefühle zu verletzten und aus Angst davor, das künstliche Zahlungsmittel auf diese Art unbeliebt zu machen, entschied man sich dafür, Musterbauten zu erfinden. Auch wenn dadurch der unpersönliche Charakter des Euro noch verstärkt werden würde.

Nach mehr als 10 Jahren Euromünzen und Euroscheinen ist diese Art der Fragestellung überholt. Selbst die Eurokrise scheint die relativ neue Angewohnheit der Europäer, mit dem Euro zu zahlen, nicht wirklich in Frage zu stellen. Jetzt wo der erste Schritt getan ist, könnten wir die EZB darin ermuntern, noch weiter zu gehen. 
Als die EU den Friedensnobelpreis erhielt, haben viele der führenden Politiker darauf hingewiesen, dass der Lohn hierfür mindestens genauso sehr den Gründervätern der Europäischen Gemeinschaft zu verdanken sei wie ihren heutigen Fortführern.

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Da wäre es doch möglich, die Ehrung bis zum Ende zu führen und Robet Schuman, Jean Monnet, Altiero Spinnelli oder Paul-Henri Spaak abzubilden, um nur einige zu nennen? Nun können Skeptiker einwenden, dass diese Persönlichkeiten nicht bekannt genug seien und eine technokratische Sichtweise von Europa verkörpern. Doch genau auf diese Weise würde man sie zu den geschichtlichen und kulturellen Referenzen hinzufügen, die allen Europäern gemein sind (selbst wenn es nur die wären, deren Länder den Euro besitzen). Das wäre alle Mal besser als erfundene Bauten, die niemand besichtigen kann.

Später könnte man dann unsere Scheine mit den Schriftstellern, Malern und Komponisten schmücken, die unsere ehemaligen nationalen Währungen ausmachten. Und so würde der Euro schließlich ein menschliches Gesicht bekommen.

Aus dem Französischen von Signe Desbonnets

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