Europas klein aber fein

Von Deutschlands Sparkurs bis zum geplanten britischen EU-Referendum: Es sind immer die großen Länder, die in der EU-Politik Schlagzeilen machen. Doch die kleinen EU-Staaten boxen zunehmend in einer höheren Kategorie.

Veröffentlicht am 28 Februar 2013 um 12:39

Liest man die Berichte des letzten Gipfeltreffens über den EU-Haushalt, könnte man durchaus meinen, dass es nur drei Staaten gibt, die bei der Entscheidungsfindung in der EU etwas zu sagen haben. Doch in der Außenpolitik schreiben zunehmend die kleinen Staaten die Story unter dem großen Titel.

Die Wertungsliste des European Council for Foreign Relations (ECFR) verfolgt alle Beiträge der EU-Institutionen und Mitgliedsstaaten, die einen Einfluss auf die europäische Außenpolitik ausüben.

Eine allgemeine Tendenz geht dahin, so die Scorecard 2013, dass die Mitgliedsstaaten in der EU-Außenpolitik zunehmend zusammenarbeiten. (2012 ging die Zahl der Länder, die in spezifischen politischen Fragen als „Nichtstuer“ bewertet wurden, deutlich zurück, besonders auffallend im Fall Zypern, Italien und Polen.) Es stellt sich auch heraus, dass die kleineren Länder in führenden Initiativen eine starke Rolle spielen können.

Lücke zwischen klein und groß schließt sich

Während die Führungsstellung der großen drei im letzten Jahr auffallend zurückging, waren bei der Entwicklung und Verfechtung außenpolitischer Initiativen interessante Koalitionen kleinerer Mitgliedsstaaten entscheidend.

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Obwohl Deutschland sowie – knapp dahinter – Großbritannien und Frankreich im Jahr 2012 nach wie vor am häufigsten in einer außenpolitischen Frage als führend eingestuft wurden, war der deutsch-französische Motor in der Entwicklung der Außenpolitik kaum erkennbar und die Lücke zwischen den „EU3“ und den kleineren Staaten hat sich geschlossen.

Das ungewöhnliche Bündnis zwischen Dänemark und Irland war bei der Forderung einer gemeinsamen EU-Position über die Etikettierung der aus israelischen Siedlungsgebieten exportierten Produkte entscheidend. Großbritannien zog erst mit, als die beiden die Idee eingebracht hatten.

Österreich, Belgien, Estland und Irland hatten (neben größeren Staaten wie Spanien, Polen, Italien, Frankreich und Deutschland) ebenso entscheidende Führungsrollen bei ihren Beiträgen zu Einsätzen in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Bei den Vereinten Nationen wurde die europäische Unterstützung eines Abkommens über den Waffenhandel nicht nur von Frankreich und Großbritannien, sondern maßgeblich auch von Belgien, Bulgarien, Finnland, Irland und Schweden angekurbelt.

Es stimmt zweifellos, dass der multiplikative Effekt der EU für die kleineren Staaten stärker ist als für die großen. Selbst wenn sich diejenigen unter den Briten täuschen, die meinen, London würde nach einem Austritt aus der EU nicht an Einfluss verlieren, würde diese Frage in Lissabon, Sofia oder Tallinn offensichtlich gar nicht erst aufkommen.

Der EU tun einzelne Initiativen gut

Somit ist die nationale Dividende für die kleinen Staaten wohl größer, wenn sie beim Voranbringen der EU-Außenpolitik eine aktive Rolle spielen. Dennoch gereicht es der EU als Ganzem zum Vorteil, wenn eines ihrer Mitglieder eine politische Entscheidung vorantreibt.

Als der bulgarische Außenminister Mladenow die Idee anführte, eine kleine Gruppe Außenminister solle Catherine Ashton, die Leiterin der EU-Außenpolitik, 2012 auf Reisen in den Libanon, den Irak und den südlichen Kaukasus vertreten, setzte diese gemeinsame Front der Minister Mladenow, Bildt (Schweden) und Sikorsky (Polen) die EU als Kollektiv in ein positives Licht und signalisierte eine Bereitschaft, die politischen Ressourcen zusammenzulegen.

Die persönliche Führungsrolle macht ganz deutlich einen Unterschied in der Auswirkung, sonst wäre das Ganze nur ein weiterer Mechanismus im technischen Werkzeugsatz der EU-Außenpolitik gewesen.

Wie die inländische Debatte über Mladenows Aktivismus im Nahen Osten und in Nordafrika nach dem Terroranschlag vom letzten Jahr in Burgas zeigte, hat das Engagement gegenüber den kollektiven europäischen Bemühungen auch im eigenen Land seinen Preis. Doch er drängte dennoch vorwärts.

Technokratisches gegen Power-Europa

Da der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) dieses Jahr den Kinderschuhen entwächst und offiziell geprüft wird, ist eines klar: Ganz gleich wie weit sich der neue diplomatische Dienst entwickelt, er kann nur so stark sein wie das politische Engagement, das die Hauptstädte der Mitgliedsstaaten erlauben.

Bis heute berechtigt dieses Engagement den EAD noch lange nicht dazu, sein volles Potenzial an möglichen Rollen auszuschöpfen und das technokratische Europa von vor dem Vertrag von Lissabon mit dem Power-Europa der Mitgliedsstaaten in Einklang zu bringen.

Dennoch geben die Bemühungen der kleineren Staaten im Jahr 2012 Grund zur Hoffnung, dass die Energien, die in der Diversität der EU liegen, mit der Zeit entfesselt und zugunsten Europas globalen Einflusses genutzt werden können.

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