Hilfe ist gut, Ideen sind besser

Athen bekommt mehr Zeit zum Sparen, aber muss noch auf die Auszahlung der nächsten Hilfskredite warten. Jenseits der Verhandlungen muss über Wege zu neuem Wirtschaftswachstum nachgedacht werden. Und das ist nicht einfach.

Veröffentlicht am 13 November 2012 um 16:20

Der griechischen Regierung wurde von ihren Partnern ein zweijähriger Aufschub gewährt, um die vorgegebenen Sparziele umzusetzen. Die Entscheidung über die Auszahlung der nächsten Hilfstranche in Höhe von 31,5 Milliarden Euro wurde jedoch vertagt. Abgesehen von diesen Verhandlungen müssen auch die Bedingungen für neues Wirtschaftswachstum geschaffen werden, und das könnte sich als eine der schwierigsten Aufgaben erweisen.

Trotz der schlaflosen Nächte, der Marathon-Verhandlungen, der zahlreichen Nachbesserungen, der Hoffnung auf den Hilfskredit [von 31,5 Milliarden Euro] und der unzähligen Haushaltskürzungen hat unser Finanzminister Yannis Stournaras eigentlich die einfachste Rolle unter den Regierungsmitgliedern.

Die Aufgabe der einzelnen Minister in einem bankrotten Staat ist undankbar. Die Entscheidungen, die sie treffen müssen, sind schmerzhaft. Aber immerhin bewegt er sich in einem Rahmen, in dem die Konjunktur im Voraus bekannt ist. Nichtsdestotrotz bleibt ein bankrotter Staat ein bankrotter Staat, dem niemand mehr Geld leiht.

Reichtum und Konkurs

Die Herausforderung, mit der die anderen griechischen Minister und Vizeminister sowie die Direktion des öffentlichen Diensts konfrontiert werden, ist sehr viel größer. Sie müssen nicht nur mit der aktuellen Wirklichkeit fertig werden, sondern auch die Grundfesten für eine künftige Realität legen. Das vorübergehende Überleben unseres Landes inmitten der Industrienationen hängt von der Fähigkeit dieser Politiker ab, die Voraussetzungen für neuen Reichtum zu schaffen, und das vor dem Hintergrund des Konkurses von Lehman Brothers und des Versiegens der herkömmlichen Finanzierungsquellen, die die griechische Wirtschaft 2008 in die Rezession gestürzt haben.

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Es handelt sich also um eine weitaus schwierigere und kompliziertere Aufgabe als bloße Haushaltskürzungen und Steuererhöhungen. Das zeigen die Proteste, die sich eher gegen die Sparpläne richten als gegen die Reformen.

Viele meinen, es sei unmöglich, den griechischen Staat wieder aufzubauen und ideale Entwicklungsbedingungen zu schaffen, wenn der Finanzminister ständig den Rotstift ansetzt. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass das Problem nicht immer in der Wirtschaft verwurzelt ist. Griechenland hat das höchste Arzt/Patienten- und Professor/Studenten-Verhältnis der industrialisierten Welt.

Allerdings war die Qualität der den Bürgern angebotenen Bildungs- und Versorgungsleistungen bereits vor der Krise so niedrig, dass diejenigen, die es sich leisten konnten, den Privatsektor bevorzugten. Obwohl die Sozialausgaben im Griechenland vor der Krise dem europäischen Durchschnitt entsprachen, reduzierten sie die Armut nicht wie im übrigen Westeuropa.

Drei Mal ums Ägäische Meer

Dazu kommt: Johannes Hahn, der EU-Kommissar für Regionalpolitik, erklärte am Sonntag, dass unser Land europäische Strukturfonds nicht ordentlich einsetzt, weil sein öffentlicher Dienst schwach ist und die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Ämtern nicht funktioniert.

In den internationalen Umfragen über die Wettbewerbsfähigkeit bemängeln die Anleger nicht so sehr die hohen Steuern, sondern die undurchsichtigen Gesetze. Trotz der Einführung von zahlreichen Erleichterungen wie zentraler Anlaufstellen für Behördengänge und beschleunigter Verfahren musste einer meiner Bekannten, der auf den Zykladen eine eigene Firma im Gesundheitswesen gründen wollte, drei Mal um das Ägäische Meer fahren und zwei Monate von Amt zu Amt laufen. Der Beschwernisse müde hat er seinen Plan schließlich aufgegeben.

Weder die Regierung noch die Opposition spricht über dieses Problem. Ihr Schweigen beweist, dass unser größtes Defizit gegenwärtig nicht so sehr das Loch in der Staatskasse ist, sondern der Mangel an Vorschlägen für den Tag danach. (cr)

Kontext

Zwei Jahre länger, und kein frisches Geld

Am 12. November gewährte die Euro-Gruppe dem hochverschuldeten Griechenland einen „zweijährigen Aufschub“, meldet To Ethnos. Die Finanzminister des Euroraums wollen bis 2016 statt nur bis 2014 auf einen ausgeglichenen griechischen Haushalt warten. Und die Staatsschulden sollen bis 2022 (statt 2020) auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesenkt werden.

Nicht einigen konnten sich hingegen die europäischen Partner Griechenlands und der Internationale Währungsfonds über die Auszahlung des nächsten Hilfskredits in Höhe von 31,5 Milliarden Euro. Die Griechen rechnen mit ihm, seit das Parlament einen neuen Sparplan und einen noch knapperen Haushalt für 2013 verabschiedet hat. Der IWF ist der Ansicht, Griechenland sei nicht in der Lage, ohne zusätzliche Maßnahmen sein Defizit schnell genug zu senken. Die Rettung das Landes würde viel teurer kommen als erwartet.

To Ethnos hofft jedoch darauf, dass die Partner und Geldgeber Griechenlands „die vom griechischen Volk erbrachten Opfer anerkennen“ und die 31,5 Milliarden Euro möglichst schnell auszahlen. Eine Freigabe des Geldes ursprünglich für Juni 2012 vorgesehen.

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