Nachrichten Östliche Partnerschaft

Moskau stellt sich quer

Russland drängt seine ehemaligen Satellitenstaaten immer intensiver dazu, seinem Projekt einer Eurasischen Union beizutreten. Auch Litauen, das eine Annäherung an die EU bevorzugt, ist einem immer stärkeren Druck ausgesetzt.

Veröffentlicht am 25 September 2013 um 11:21

Russland schikaniert Litauen an der gemeinsamen Grenze – doch das ist Teil eines größeren Machtkampfs: Der Kreml will die EU-Strategie der Ostpartnerschaften behindern und die Ukraine, Weißrussland, Moldawien, Aserbaidschan, Georgien und Armenien dazu zwingen, alle Annäherungsversuche an Europa aufzugeben. Diese Länder sollen durch die so genannte Eurasische (Zoll-)Union wieder unter Moskaus Kontrolle gebracht werden.

Litauen, das derzeit den Vorsitz der EU innehat, plant jedoch, auf dem Gipfel in Vilnius kommenden November ein Freihandelsabkommen zu unterzeichnen mit den Mitgliedsländern der Ostpartnerschaft – ausgenommen mit Weißrussland, das bereits in der Eurasischen Zollunion ist. Litauen hat die Ostpartnerschaftsstaaten sehr aktiv verteidigt und die EU darauf aufmerksam gemacht, dass der Kreml sie durch Zollkriege und andere ähnliche Erpressungen unter Druck setzt.

Die Strafaktionen des Kremls

Den ganzen September lang standen Fahrzeuge mit litauischem Nummernschild an der litauisch-russischen Grenze besonders im Visier: Die Zollverfahren waren äußerst zermürbend. Seit dem 11. September ist diese Behandlung das Los aller, die versuchen, litauische Güter nach Russland einzuführen. Diese Woche kündigte Russland strengere Qualitätsanforderungen für Milchprodukte litauischer Herkunft an. Natürlich bedeutet dies wirtschaftliche Verluste für litauische Transport- und Exportunternehmen. Wenn das nicht eine Strafaktion des Kremls für den Schutz der Ostpartnerschaftsstaaten ist, was dann?

Wie sieht also die aktuelle Situation in diesem geopolitischen Tauziehen aus? Es gelang Präsident Putin schnell, Armenien zu der vom Kreml kontrollierten Zollunion zu bewegen. Dementsprechend wird Armenien in Vilnius kein Abkommen mit der EU unterzeichnen. Und nun, da Armenien klein beigegeben hat, bekommt Aserbaidschan wohl als nächstes die Daumenschrauben angelegt. Es wird spekuliert, ob Putin Schritte hinsichtlich des Karabach-Konflikts erwähnt hat – und, wenn ja, welche. Sie dürften sich allerdings nicht auf simple Belästigungen am Zoll beschränken. [[Trotz des enormen Drucks bleibt die Ukraine standhaft]] und gibt den Erpressungsversuchen des Kremls nicht nach: Die ukrainische Regierung hat den Entwurf für ein Assoziierungsabkommen mit der EU akzeptiert und will das Abkommen in Vilnius unterzeichnen. Noch grausamere Drohungen wurden Moldawien gegenüber ausgestoßen.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Der Kampf um den Kaukasus scheint verloren

Nach Angaben des russischen Vizeministerpräsidenten könnte Moldawien – sollte es seine europäischen Bestrebungen weiter verfolgen – die Kontrolle über Transnistrien verlieren und mit einem kalten Winter rechnen, also seine Energieversorgung einbüßen. Moldawien ließ sich davon nicht beirren.

Es sieht so aus, als würde die EU den Kampf im Kaukasus verlieren (oder als hätte sie ihn bereits verloren). Nördlich des Schwarzen Meeres jedoch hatte der vom Kreml ausgeübte Druck eher einen Gegeneffekt und motivierte die Ukraine, Moldawien und die EU zu einer engeren – und schnelleren – Zusammenarbeit.

Meinung

Moskaus Erpressungen und die guten Geschäfte der Oligarchen

„Der Kreml hat einen Wirtschaftskrieg mit Litauen begonnen. Oder sollte ich es eher eine Terrorkampagne nennen?“ fragt der litauische Journalist Valentinas Mitė in der Zeitung Delfi:

Unsere mit verderblichen Waren gefüllten Lastwagen sitzen an der Grenze zur russischen Enklave Kaliningrad fest. Die Verluste der litauischen Unternehmer rechnen sich in Millionen. Autos werden so gründlich kontrolliert, dass es absurd scheint. Moskau will dem respektlosen Litauen seinen Zorn zeigen. In anderen Worten, ein Nachbar muss entweder Sklave oder Feind sein – „ili rab, ili vrag“, wie man auf Russisch sagt. […] Nur zu, Litauer, ab in dieselbe Kiste wie die Ukrainer und die Moldawier! Die Ukrainer vergiften uns mit ihrer Schokolade, die Moldawier mit ihrem Wein. Feinde. Überall Feinde. Vor allem, wenn sie zur EU hinüberschielen.

Auf slate.com liefert die Journalistin Anne Applebaum eine Erklärung für Moskaus Verhalten:

Wenn es Europa gelungen ist, Assoziierungsabkommen mit Armenien, der Ukraine und Moldawien auszuarbeiten, dann besteht durchaus Grund zu der Annahme, es könnten auch ähnliche Abkommen mit Russland folgen. Doch die russischen Eliten, angeführt von Präsident Putin, handeln nicht im Interesse Russlands. Sie handeln in ihrem eigenen Interesse. Momentan sind sie davon überzeugt, dass ihnen der wirtschaftliche Nationalismus und die Sprache des Neo-Imperialismus die Unterstützung der Bevölkerung einbringen – und auch, soweit möglich, Geld.

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema