Neue Bewährungsprobe für den Euroraum

Sollen wir die Schulden der Banken jetzt gemeinsam übernehmen, wie es die EZB wünscht, oder lieber warten, bis jedes Land den eigenen Bankensektor saniert hat, wie es Berlin fordert? Wir müssen beides tun, meint die Eurogruppe. Wie aber kann man die beiden Ansätze in Einklang bringen?

Veröffentlicht am 16 Mai 2013 um 11:37

Die Bankenunion stellt heute die Zukunft des Euroraums auf die Probe. Wenn die Union Fortschritte macht, ist das ein positives Zeichen; das Gegenteil wäre keine erfreuliche Nachricht. Auch wenn die Lösung gewiss Europa heißt, so ist die Lage doch komplizierter, als man denken könnte, weil sich die nationalen und institutionellen Meinungen scheiden.

Die wesentliche Frage ist, wie die Bankenunion künftig mit Schulden in noch unbekannter Höhe fertig werden soll. Deutschland stellt eine grundlegende Frage: Wer verantwortet die Bilanz einer Bank, wenn sie Konkurs macht (wie Bankia), und wer soll die Einlagen eines maroden Finanzinstituts garantieren?

Es handelt sich hier um ernste Probleme, lösen wir sie erst einmal auf nationaler Ebene, meint die deutsche Regierung. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist wiederum der Ansicht, dass die Bankenunion zügig voranschreiten muss. Die Polemik ist positiv, denn ernste Probleme erfordern eine konkrete Lösung. Europa ist ins Zeitalter des reinen Realismus eingetreten, Lippenbekenntnisse gehören der Vergangenheit an. Die EU steht also vor einer echten Herausforderung.

Jeder verantwortet seine eigenen Schulden

Wir sind mit einer neuen Welle der Euroskepsis konfrontiert. So hört man, die Zone könne sich in den Norden einerseits und den Süden andererseits spalten, aber die Fakten bekräftigen diese Ansicht nicht. Die internen Finanztreffen sind so transparent, dass sogar in Deutschland die Debatte zwischen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und dem deutschen Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen, der für die internationalen Beziehungen der EZB zuständig zeichnet, wieder auflebt.

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Schäuble zufolge sind die europäischen Banken mit vielen versteckten toxischen Krediten belastet, die Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen gewährt wurden. Eine vorschnell auf den Weg gebrachte Bankenunion würde dazu führen, dass der Abwicklungsfonds, der das allgemeine Gleichgewicht garantieren soll, unter der Last der uneintreibbaren Schulden zusammenbricht. Aus diesem Grund verlangt der Bundesfinanzminister eine zweistufige Einführung: Zuerst sollen die Banken auf nationaler Ebene saniert und alle zu diesem Zweck nötigen Maßnahmen getroffen werden, erst dann können die künftigen Risiken der Eurozone abgesichert werden. Die Schulden werden also nicht einfach weggezaubert und von den europäischen Steuerzahlern übernommen, sondern müssen von jenen, die sie eingegangen sind, auch beglichen werden. Jeder verantwortet seine eigenen Schulden.

Alle müssen gemeinsam handeln

Wenn man Jörg Asmussen Glauben schenkt, ist die EZB fähig, sowohl die Banken zu beaufsichtigen, als auch die Risiken in dem von ihr beaufsichtigten System rechtzeitig zu erkennen und zu minimieren. Die Frage, wie die Forderungen der von der Abwicklung einer verschuldeten Bank Betroffenen zu behandeln sind und wie der Abwicklungsfonds für die Banken verwaltet wird, bleibt indes weiterhin offen. Aber alles kann und muss gleichzeitig eingeleitet werden. Alle müssen gemeinsam handeln.

Trotz des Staubs, die diese Polemik aufwirbelt, und trotz der Verwirrung, die sie erzeugt, ist die Eurogruppe der Ansicht, dass die deutschen Einwände vernünftig sind. Gleichzeitig drängt sie allerdings darauf, die Bankenunion voranzutreiben. Sie hat wahrscheinlich verstanden, dass die neue Normalität nicht das Ergebnis der Gefälligkeit ist, sondern das Resultat einer Neubewertung der durch die Globalisierung entstandenen Ansprüche.

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