Vorsicht vor den „Men in Black“

Veröffentlicht am 5 Juni 2012 um 11:09

„In Brüssel leben die Leibwächter mit einem fertig gepackten Koffer hinter der Tür, für den Fall, dass die Risikoprämie wegen der finanziellen Erhitzung im Land zu hoch wird. Dann nehmen sie ihr Gepäck, steigen ins nächste Flugzeug und eilen ihm zur Hilfe“, so der Leitartikler Ignacio Camacho in ABC über die Beamten, die von der EU-Kommission in Länder wie Irland, Griechenland oder Portugal entsandt werden.

Sie nennen es Rettung, aber in Wirklichkeit handelt es sich um eine Sequestrierung. Sie übernehmen das Ruder im betroffenen Land und unterziehen es einer Schockbehandlung, bis die überhitzte Prämie sich wieder abkühlt. Die Men in Black sind die fliegenden Gesandten der gefürchteten Troika, Merkels Kommissare, die eine strenge Haushaltsdisziplin durchsetzen sollen. Eine gnadenlose Brigade, deren Präsenz auf Regierungsebene Angst und Schrecken verbreitet, wenn die Lage sich so entwickelt wie in Spanien.

Wegen dieser Leibwächter ist die angebotene Rettung (bei der es sich nie um eine freie Entscheidung handelt, auch wenn es formal so aussehen mag) nicht empfehlenswert. Theoretisch könnten die Men in Black eine vernünftige Notlösung darstellen: Sie sind nicht in nationale Interessenskonflikte verwickelt und fähig, drastische Maßnahmen durchzusetzen, ohne sich dadurch politisch oder im nächsten Wahlkampf zu schaden.

Sie zaudern nicht vor unseren autonomen Regionen und lassen sich nicht von der Herkunft der Vorstände unserer bankrotten Banken beeindrucken. Sie sind kaltblütige Profis der Sauberkeit wie Mister Wolf aus Tarantinos Film [Pulp Fiction]. Vielleicht sind sie genau das, was ein Land braucht, das am Zusammenbruch der Institutionen und einem Wirrwarr an Schwierigkeiten gescheitert ist. Aber ihre Vorgehensweise ist unerbittlich, immun gegen Nuancen und nur von einer rein buchhalterischen Logik geleitet.

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Sie beginnen mit den Renten und der Arbeitslosenunterstützung, machen bei den Steuern und den Gehältern der Staatsbeamten weiter und veräußern schließlich alles, was einen Käufer findet. An Ende ihrer Mission gleicht die Wirtschaft einem Stoppelfeld und die Politik ist verwüstet, während sie die abgekühlte Risikoprämie unter den Arm nehmen und den Staub von den Schuhen shütteln. Vielleicht könnten sie ein Land sanieren, aber sollte es eine mögliche Erholung geben, begraben sie diese unter den Trümmern. […]

Wenn die finstere Brigade in Madrid landet, wird Spanien viele Jahre lang Opfer tiefen Misstrauens sein und alles, was bisher unternommen wurde, wäre vergebens. Rajoys Motto lautet aussitzen, Zeit gewinnen, sich an den Hauptmast zurren, bis das Unwetter nachlässt. Zwei Wochen vor den entscheidenden griechischen Wahlen hat es keinen Sinn zu kapitulieren, wie ernst auch immer die Lage sein mag.

Es ist eine Frage des Widerstands gegen den Druck. Unbekannt ist jedoch, wie lang es dauert, bis die Men in Black mit einer Schere in ihrem unheilvollen Gepäck ins Flugzeug steigen.

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