Sie sind zu zehnt und nennen sich die „Zukunftsgruppe“. Sie sind Außenminister* und wollen die EU in einen Staatenbund nach dem Vorbild der USA verwandeln. Gemeinsam bereiten sie vor, was Die Presse als „Umbauplan für einen EU-Staat“ bezeichnet. Am 19. Juni stellten die zehn Minister ihren ersten Bericht den vier Männern vor, die am meisten von einer Umsetzung ihrer Idee profitieren würden: José Manuel Barroso, Herman Van Rompuy, Mario Draghi und Jean-Claude Juncker, jeweils Präsident der EU-Kommission, des Europäischen Rats, der Europäischen Zentralbank bzw. der Euro-Gruppe.
Denn die Zukunftsgruppe, die der deutsche Minister Guido Westerwelle initiierte und in welcher Frankreich nicht vertreten ist, schlägt vor, den Staats- und Regierungschefs Macht zu entziehen und den Kommissionspräsidenten aufzuwerten. Letzterer würde in einer direkten, allgemeinen Wahl gewählt und hätte das Recht, ein Regierungsteam zusammenzustellen. Damit wäre er der einflussreichste Politiker Europas.
Die Gruppe will auch die Ministerräte und den Europäischen Rat abschaffen und statt dessen gleichberechtigt zum Europaparlament eine Länderkammer einrichten. Diese soll dann nationale Kompetenzen übernehmen, so etwa Grenzschutz, Sicherheits- oder Haushaltspolitik, damit insbesondere der Euro „irreversibel“ wird.
Für Die Presse ist es nicht überraschend, dass die Diplomaten, die seit dem Vertrag von Nizza im Jahr 2000 und vor allem seit Ausbruch der Krise jeglichen Einfluss verloren haben, heute wieder zu ihrem Recht kommen wollen. Doch die Tageszeitung folgert:
Ein sauberes demokratisches System für die EU, das einem staatlichen Gebilde ähnelt, mag der vorherrschenden Stimmung in vielen Bevölkerungsschichten widersprechen. Aber wer sich gegen den Zerfall der Währung, des Binnenmarkts, der Auflösung politischer Stabilität, der Entwicklung neuer Wohlstandsklüfte zwischen Nord- und Südeuropa, einer weiteren Stärkung nationalistischer Tendenzen stellen möchte, wird es letztlich vorziehen.
* Außenminister aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal und Spanien.