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Hier gibt es noch viel zu kaufen. Regierungschefs Giorgos Papandreou und Wen Jiabao in Athen, 3. Oktober 2010.

China an Europas Achillesferse

Einen Brückenkopf zu Europa schlägt Peking und kauft Staatsschulden auf. Zudem investiert es strategisches Schlüssel-Kapital in arme, von der Krise geschwächte Länder wie Griechenland, Irland und Spanien. Seine langfristigen Ambitionen zielen aber nicht nur darauf ab, Geld zu machen. Vielmehr will es auch in Brüssel etwas zu sagen haben.

Veröffentlicht am 2 November 2010 um 15:58
Hier gibt es noch viel zu kaufen. Regierungschefs Giorgos Papandreou und Wen Jiabao in Athen, 3. Oktober 2010.

Nicht mit leeren Händen reiste der chinesische Premierminister Wēn Jiābǎo im vergangenen Monat nach Athen, wo Peking gerade Teile des Hafens gekauft hatte: Neue Geschäftsverträge in Höhe mehrerer Milliarden Dollar brachte er mit. „Die Unterstützung unserer chinesischen Freunde ist für uns ein großes Glück“, erklärte der griechische Staatsminister Haris Pamboukis. Jedoch hat China viel ehrgeizigere Ziele. Griechenland ist ein Teil der chinesischen Strategie, Europa zu erobern. Hier und da reißt es die Anleihen an sich, deren Werte durch die Finanzkrise eingebrochen sind. Es ist zu einem wichtigen Partner der europäischen Nationen geworden, die es schwer getroffen hat.

Laut der Experten erhofft sich Peking nicht nur, dass die eigenen Unternehmen immer mehr Geschäfte abschließen, sondern vor allem mehr Einfluss auf die in Brüssel und Deutschland entschiedene Wirtschaftspolitik. „Sie zeigen bereitwillig, wie gern sie ihre Nase in die europäischen Geschäfte stecken“, analysiert der amerikanische Chefökonom von High Frequency Economics, Carl B. Weinberg die Situation. Er fügt hinzu, dass „das sehr clever ist und eine klare Botschaft vermittelt: Gegen die chinesische Macht muss man sich erst einmal behaupten“. Bei den diese Woche stattfindenden Besuchen des chinesischen Präsidenten Hú Jǐntāo in Portugal und Frankreich wird diese Botschaft zusätzlich bekräftigt werden.

Chinesisches Geld gegen europäische Unterstützung

Tatsache ist, dass die europäische Finanzkrise für kapitalstarke Investoren verschiedenste Möglichkeiten geschaffen hat. Und China steht ganz oben auf der Liste. Dabei greift es sich die griechischen, spanischen und anderen herabgestuften Staatsanleihen, sowie Häfen, Autobahnen und Industriezweige in den problembelasteten Ländern Ost- und Südosteuropas. In der Hoffnung damit tausende neue Arbeitsplätze zu schaffen, wetteifern auch Irland und Ungarn um die verlockenden chinesischen Investitionen. „Folgendes geschieht: Die Chinesen expandieren jetzt in Europa wie sie es in Afrika getan haben“, erklärt François Godement, Senior Fellow des European Council on Foreign Relations (ECFR). „In Europa aber schaffen sie den Durchbruch dank randständiger Länder. Das ist außerordentlich.“

China konzentriert all seine Bemühungen auf griechische und italienische Häfen, sowie Autobahnen, die Osteuropa mit Deutschland und der Türkei verbinden. Es würde gerne in größere und dauerhafte Infrastruktur-Projekte investieren. Milliarden von Dollar hat es bereits in öffentliche Projekte gesteckt, die von Unternehmen umgesetzt werden, die Chinesen gehören und chinesische Arbeiter beschäftigen. Mit seinen Investitionen will China Europa dazu ermutigen, in der umstrittenen Währungsfrage, sowie bei diversen Streitigkeiten in der Welthandelsorganisation für den Standpunkt Chinas einzutreten.

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Erkaufte Freundschaften sind effizienter

Während seiner jüngsten Europa-Reise erinnerte Wēn die Politiker in Brüssel daran, dass China sich Griechenland, Spanien, Italien und anderen problembelasteten Ländern Europas gegenüber wie „ein Freund“ verhalten hat. In den schwersten Stunden habe es Anleihen gekauft, während andere Investoren die Flucht ergriffen. Im Gegenzug dafür ermahnte er die Staats- und Regierungschefs, China nicht „unter Druck zu setzen“, damit es den Yuán aufwertet. China hat sich dazu verpflichtet, griechische Anleihen zu kaufen, sobald die Regierung diese wieder anbietet. Zudem erwarb es spanische Schuldpapiere in Höhe von 625 Millionen Dollar [445 Millionen Euro]. Dadurch dass China einen kleinen aber wachsenden Anteil seiner 2,3 Billionen Dollar [1,6 Billionen Euro] Devisenreserven wieder in Europa re-investiert, anstatt US-Schatzanleihen mit niedriger Rendite zu kaufen, verbreitert es seinen eigenen Wertpapierbestand.

Zudem erhofft Peking sich mit dieser Art Unterstützung den internationalen Druck nach einer Abwertung seiner Währung zu verringern. Für den Ökonomen Jens Bastian der Griechischen Stiftung für Europäische und Auswärtige Politik „ist es kein Zufall, dass China so handelt. Peking verfügt über riesige Währungsreserven. Und für die Länder, denen es sich nun zuwendet, sind ausländische Investitionen entscheidend.“ Während chinesische Direktinvestitionen in Europa im Vergleich zu den Investitionen in anderen Regionen noch immer recht gering sind, stiegen sie in den vergangenen zwei Jahren dennoch massiv an. Im vergangenen Frühjahr holte Europa sogar die USA ein – Chinas größter Handelspartner.

EU zahlt chinesische Arbeiter auf Europas Baustellen

Auch das ums Überleben kämpfende Irland versucht, einen Teil der Investitionen zu erhaschen und plant in der Stadt Athlone für China ein „Europa-Investment-Portal“ zu schaffen. Damit erhofft es sich die Schaffung von Tausenden von Arbeitsplätzen. Im Juni hatte der irische Premier Brian Cowen bereits erklärt, China habe versprochen, „in solch schwierigen Zeiten wie heute, einem Freund wie Irland gegenüber so hilfsbereit wie möglich zu sein“.

Zudem ist es Peking dank der Investitionen möglich, die Interessen chinesischer Unternehmen durchzusetzen, sobald diese global tätig werden. Im vergangenen Monat pries Wēn einen 4,5 Milliarden Dollar [3,2 Milliarden Dollar] schweren Kredit an, den in Schwierigkeiten steckende griechische Reeder in Anspruch nehmen könnten. Doch können sie damit fast nichts anderes machen, als Schiffe made in China erwerben. Über so mancher chinesischen Investition wurde bereits die eine oder andere Augenbraue hochgezogen. Als es im vergangenen Jahr um den Bau einer Autobahn in Polen ging, überbot China europäische Unternehmen. Als außerdem chinesische Arbeiter für das mit EU-Geldern finanzierte Projekt eingestellt wurden, forderte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mehr Gegenseitigkeit.

Peking ist kein trojanisches Pferd

Im kommenden Jahrzehnt wird Europa über zahlreiche neue Projekte entscheiden. Beispielsweise sollen aus der Kriegszeit stammende Geschütze aus der Donau entfernt werden, damit sie als Durchgangsweg für Transportschiffe benutzt werden kann. Auch sollen Eisenbahnlinien Länder wie Deutschland und Mazedonien verbinden, sowie neue Autobahnen von Deutschland in die Türkei gebaut werden, erklärt Bastian. „Was Europa fehlt, ist eine Netzwerk von Verkehrsinfrastrukturen, welches West- und Osteuropa miteinander verbindet.“ Und er fügt hinzu: „Genau an diesem Punkt versucht China seinen Vorteil aus dem derzeitigen Kräfteverhältnis zu ziehen.“

Und trotz aller Befürchtungen möglicher chinesischer Hintergedanken empfangen viele Europäer die Investitionen mit offenen Armen. Wie der griechische Staatsminister Pamboukis erklärte, interessiert sich China vor allem dafür, den Handel zu fördern, und Geld zu machen. Seiner Meinung nach ist Chinas Investment-Strategie in Europa „geschickt und wohldurchdacht“. „Ich denke nicht, dass China wie ein trojanisches Pferd hier herkommt.“

Übersetzung von Julia Heinemann

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