Nachrichten Besteuerung und Gleichstellung der Geschlechter

Tampons werden immer noch wie Alkohol und Tabak besteuert

Die spanische Regierung hat ihre Absicht angekündigt, die Mehrwertsteuer auf Damenbinden und Tampons im Haushalt 2019 zu senken. Seit 2007 erlaubt das europäische Recht eine Ermäßigung der so genannten Tamponsteuer. Allerdings erheben Länder wie Ungarn, die Schweiz und Dänemark weiterhin einen allgemeinen Steuersatz auf solche Produkte.

Veröffentlicht am 6 August 2019 um 10:51

In Ungarn zahlen Frauen für den Kauf von Hygieneartikeln rund 27 Prozent Mehrwertsteuer. In Irland sind dieselben Produkte von der Steuer befreit. Andere Länder, wie Spanien und Frankreich, wenden einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Damenhygieneprodukte an. Tatsächlich hat die spanische Regierung versprochen, diese Steuer in ihrem Haushalt 2019 von derzeit 10 Prozent auf 4 Prozent zu senken. Seit 2007, als die Europäische Union (EU) den Ländern erlaubte, die so genannte Tamponsteuer auf ein bestimmtes Minimum zu senken, haben sich viele Länder dafür entschieden. Andere hingegen haben diese Damenhygieneprodukte in der gleichen Mehrwertsteuerklasse gehalten wie andere Produkte, die keine Grundversorgungsartikel darstellen.

Fast die Hälfte der 28 EU-Mitgliedstaaten wendet weiterhin den Normalsteuersatz auf Damenbinden und Tampons an, vergleichbar mit Artikeln wie Schmuck, Wein, Bier und Zigaretten. In zehn dieser Länder liegt dieser Anteil bei über 20 Prozent: Ungarn mit 27 Prozent, Kroatien, die Schweiz und Dänemark mit 25 Prozent. Ein Vergleich der verschiedenen nationalen Steuergesetze von Civio zeigt, dass die berüchtigte Tamponsteuer in vielen dieser Länder zudem höher ist als die Steuer, die auf Hotels erhoben wird.

Die EU-Mitgliedstaaten unterliegen einer Richtlinie, die nur eine Ermäßigung der Mehrwertsteuer auf Hygieneprodukte erlaubt: Auf mindestens fünf Prozent. Die meisten Länder haben beschlossen, diese Mehrwertsteuer in den letzten Jahren zu senken, wenn auch im Einklang mit dem Mindestsatz der EU. Zu diesen Ländern gehören Spanien, Griechenland und Österreich mit einer Steuer von 10 Prozent oder mehr auf Hygieneprodukte. Zu dieser Gruppe gehören auch Frankreich mit 5,5 Prozent Steuern, das Vereinigte Königreich mit 5 Prozent und Irland mit 0 Prozent. Dieses Land stellt eine Ausnahme dar: Der irische Tamponsteuersatz wurde vor der Umsetzung der europaweiten Rechtsvorschriften zur Ermäßigung und Befreiung der Mehrwertsteuer festgelegt, so dass das Minimum von 5 Prozent dort nicht anwendbar ist.

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In Großbritannien ist die Unfähigkeit, die Steuer auf Hygieneprodukte weiter zu senken, erst seit 2015 ein Thema. In diesem Jahr diskutierte das britische Parlament, ob ein 0-Prozent-Satz auf solche Produkte angewendet werden sollte. Der Antrag war erfolglos, weil die Gemeinschaftsrichtlinie ihm widersprach. Dieses Argument wurde im Kontext des Brexit vorgebracht. Alternativ beschloss das britische Parlament, einen Teil der über diese Tamponsteuer eingenommenen Steuern an Frauen-Selbsthilfe-Gruppen zu verteilen. Im Jahr 2017 wurden insgesamt 12 Millionen Pfund an 70 Organisationen vergeben. Die Kontroverse entfachte jedoch, als berichtet wurde, dass eine der Nichtregierungsorganisationen eine Anti-Abtreibungsgruppe sei. Schottland hat unterdessen beschlossen, allen Schülerinnen an Schulen, Hochschulen und Universitäten kostenlose Damenbinden und Tampons zur Verfügung zu stellen. Dieses Programm, dessen Ziel die Bekämpfung der Perioden-Armut ist, verfügt über ein bewilligtes Budget von 5,2 Millionen £.

Die Europäische Kommission hat Anfang des Jahres angekündigt, dass sie beabsichtigt, das EU-Recht zu ändern, um den Mitgliedstaaten mehr Freiheit bei der Änderung der für bestimmte Produkte geltenden Mehrwertsteuer zu geben. Allerdings wurde kein Termin für die Umsetzung vorgeschlagen. Das Vereinigte Königreich wird die Streichung der Tamponsteuer umsetzen, sei es innerhalb oder außerhalb der EU.

Spanien will Tamponsteuer weiter senken

„Es ist klar, dass die auf Damenhygieneprodukte erhobene Mehrwertsteuer nur Frauen als soziale Gruppe trifft. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es sich bei diesen Produkten um Dinge des täglichen Bedarfs handelt (die Frau kann nicht auf sie verzichten), die in direktem Zusammenhang mit der Gesundheit der Frauen stehen“, beschreibt ein Bericht von Observatori IQ über Steuern und Geschlecht. Die spanische Regierung hat angekündigt, die Steuer auf Damenbinden und Tampons von derzeit 10 Prozent im Haushalt 2019 auf 4 Prozent zu senken (d. h. ein spezieller Steuersatz, der als „stark reduzierter Satz“ bekannt ist). „Das sind gute Nachrichten. Aber ist es gut genug? Das ist fragwürdig“, meint María De la Fuente, die Observatori-Leiterin.

Eine Schachtel mit normalen Tampons der Marke Tampax mit 22 Stück ist derzeit für 4,05 € im Supermarkt Dia im Zentrum von Madrid erhältlich. Die beim Kauf dieses Produkts erhobene Mehrwertsteuer beläuft sich auf 40 Cents. Wenn der Preis gleichbleibt, würde die Mehrwertsteuer für das gleiche Produkt mit der angekündigten Senkung 16 Cent betragen, was für Frauen einer tatsächlichen Ersparnis von 24 Cents pro Schachtel entspräche. Die Regierung erwartet aufgrund dieser Ermäßigung ihrerseits einen entsprechenden Einkommensverlust von 18 Millionen €. Dies mag zwar viel erscheinen, aber in der Tat sind es nicht einmal 0,03 Prozent der staatlichen Mehrwertsteuereinnahmen im Jahr 2017 aus allen Produkten.

Es gibt einige Diskussionen darüber, ob diese Einsparung tatsächlich umgesetzt, und ob sie zu einer entsprechenden Erhöhung der Preise für solche Produkte führen wird. „Dies wird als eine wichtige Maßnahme dargestellt, weil sie für Aufmerksamkeit sorgt, und die Industrie sich freuen würde, wenn die Mehrwertsteuer auf Hygieneartikel gesenkt würde. Inwieweit diese Reduktion aber an Frauen weitergegeben wird, steht außer Frage“ erklärt María Pazos, Leiterin der Untersuchung zur öffentlichen Ordnung und Geschlechtergleichstellung am Institut für Steuerwissenschaften. Die Wissenschaftlerin stellt somit fest, dass Frauen von einer solchen Änderung nicht profitieren, sondern sogar bestraft würden, wenn der Preis für Hygieneprodukte stiege. „Jede Senkung der Steuereinnahmen benachteiligt die Gesellschaft im Allgemeinen, aber vor allem die Frauen, weil wir ärmer sind und mehr Sozialschutz brauchen“, erklärt sie.

Welche Tamponsteuer wird im Rest der Welt angewendet?

Außerhalb Europas war Australien das jüngste Land, das sich entschieden hat, dem Club derjenigen beizutreten, 0 Prozent Mehrwertsteuer auf Hygieneprodukte zu erheben, und zwar seit Januar 2019. Desgleichen haben sich auch viele andere Länder auf der ganzen Welt dazu entschieden, die Tamponsteuer abzuschaffen. Das erste war Kenia im Jahr 2004. Seitdem folgten Kanada, Indien, Malaysia, Uganda, Tansania, Nicaragua, Trinidad und Tobago. Innerhalb der USA haben sich einige Staaten ebenfalls dafür entschieden, die Steuer abzuschaffen: Connecticut, Florida, Maryland, Massachusetts, Pennsylvania, Minnesota, New Jersey, Illinois und New York. Darüber hinaus beschloss New York City 2015 eine Maßnahme, die weit über die reine Steuersenkung hinausgeht: Alle öffentlichen Schulen der Stadt müssen kostenlose Hygieneprodukte in ihren WCs anbieten. Diese Stadt war die erste, die zu diesem Zweck in den USA Gesetze verabschiedete, aber der Staat New York selbst und Illinois folgten und verpflichteten öffentliche Schulen, kostenlose Hygieneprodukte anzubieten.

Auch Südafrika ist zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen wie NYC. Eine Expertengruppe hat untersucht, ob Hygieneprodukte unter die Null-Prozent-MwSt. fallen sollten, und ob die Aufnahme in diese Kategorie zu einer geringeren Perioden-Armut im ganzen Land führen würde. „Die Daten zeigten, dass die Anwendung der Null-Prozent-MwSt auf Hygieneprodukte nur begrenzte Auswirkungen auf die Verbesserung des Zugangs von Frauen zu solchen Produkten in Haushalten mit niedrigem Einkommen haben würde. Empfohlen wurde, dass für diese Produkte nicht nur eine Null-Prozent-MwSt gelten sollte, sondern auch, dass sie für Frauen mit niedrigen Einkommen kostenlos zur Verfügung gestellt werden sollten“, schlussfolgerte der Ausschuss.

Auf globaler Ebene gibt es die Tamponsteuer noch immer, und Frauen zahlen immer noch Steuern auf Produkte, die eigentlich Grundbedürfnisse sind. In Ländern wie Island, Argentinien, Bulgarien, Albanien oder Moldawien beträgt diese Tamponsteuer 20 Prozent oder mehr. Frauen in Bosnien, der Türkei, Neuseeland, Südafrika und Chile zahlen zwischen 15 und 19 Prozent Mehrwertsteuer, um die benötigten Hygieneprodukte zu kaufen.

Methodik:

Um Daten über die auf Hygieneprodukte angewandte Mehrwertsteuer zu erhalten, haben wir das nationale Mehrwertsteuergesetz für jedes der genannten Länder herangezogen. Im Falle Europas haben wir für einige Länder sowie für den Vergleich mit anderen Produkten auch Informationen der Europäischen Kommission verwendet. Hier können sie auf die Quellen zugreifen, in denen die Daten über die auf Hygieneprodukte in ganz Europa angewandte Mehrwertsteuer gesammelt wurden. Um die relevanten Daten für den Rest der Welt zu sehen, können Sie diese Datei durchsuchen. Wir haben Malta von unserer Liste der Länder gestrichen, da wir keine zweite Quelle zur Bestätigung der tatsächlichen Steuer finden konnten. Der Preis einer Schachtel Tampax wurde am Samstag, den 20. Oktober, im Supermarkt Dia in der Marques de Modejar Straße (Madrid) überprüft.

Tampons

Die Kanarischen Inseln unterscheiden sich

Bereits 2018 brüsteten sich die Kanaren mit steuerfreien Hygieneprodukten. Wie aber ist dies möglich? Das ist der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie zu verdanken, die es den Kanarischen Inseln ermöglicht, ein anderes System der indirekten Besteuerung anzuwenden als das spanische Festland und die übrigen europäischen Mitgliedsstaaten.

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