Presseschau Fokus Südosteuropa

Ist Trump jetzt Putins Trumpf in Europa?

Nachdem es Russland nicht gelungen ist, das EU-Referendum und die Präsidentschaftswahlen in der Republik Moldau entscheidend zu manipulieren, könnte Putin durch die Wiederwahl Donald Trumps ein Ass im Ärmel haben.

Veröffentlicht am 26 November 2024

Zwei Wochen nachdem das EU-Referendum in Moldawien mit knapper Mehrheit (50,35 %) angenommen wurde, hat die pro-europäische Präsidentschaftskandidatin Maia Sandu ihren russophilen Gegner Alexandr Stoianoglo (55,35 %) besiegt und Donald Trump hat das Rennen um das Weiße Haus gewonnen. In den Stunden nach diesen Ereignissen bin ich über ein Meme gestolpert, in dem behauptet wurde, Russland habe die kleinen Fische schwimmen lassen, um die großen zu fangen. Hat Russland in Moldawien tatsächlich den Fuß vom Gas genommen? Und ist Trump so ein großer Fisch, den Moskau nun als Trophäe will?

Kann Moldawiens Bekenntnis zu Europa Russlands Einfluss verdrängen?

Das EU-Referendum zu bestehen und die Präsidentschaftswahlen zu gewinnen, war für die pro-europäischen Moldawier kein Kinderspiel. Ohne das Votum der Diaspora hätte die Republik Moldau ihr Gesicht zweifelsohne dem Kreml zugewandt. Der zweimalige rumänische Präsident Traian Băsescu (2004-2014), der weiß, dass auch er seine Wahlen nur mit Hilfe der Diaspora gewinnen konnte, erinnerte seine früheren Gegner nun auf Facebook daran, wie Florentina Grigore in der rumänischen Zeitung Adevărul  berichtet: „Wladimir Putin mit seinen Horden von Oligarchen und Schreihälsen ist in den erlesenen Klub derjenigen eingetreten, die mit den Stimmen der Diaspora geschlagen wurden und einen rumänischen Pass trugen. Wenigstens hatte er die Würde, nicht zu behaupten, Maia Sandu habe die Wahlen gestohlen.” Doch, auch wenn die Wahlen letztlich nicht zugunsten des Kreml ausgegangen sind, sieht es ganz und gar nicht danach aus, als hätten die russischen Agenten ihre Bemühungen eingeschränkt. 


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„Diese Wahlen fanden unter beispielloser Einmischung und Einschüchterung durch Russland und seine Vertreter statt, mit dem Ziel, die demokratischen Prozesse in der Republik Moldau zu destabilisieren“, erklärt EU-Sprecher Peter Stano in einem Reuters-Artikel von Charlotte van Campenhout, Lili Bayer und Philip Blenkinsop Anschuldigungen, für die es handfeste Beweise gibt. So konnte sich Natalia Zaharescu von der moldawischen Zeitung Ziarul de Gardă unter einem Decknamen in das Netzwerk des russischen Oligarchen Ilan Șor einschleusen, dessen Aufgabe es war, die Bürger davon zu überzeugen, gegen den EU-Beitritt zu stimmen und die Opposition von Maia Sandu bei den Präsidentschaftswahlen zu unterstützen. Die ZdG-Recherche belegt, dass Natalia Zaharescu Geld und Anweisungen erhalten hat, für was und wen sie bei den beiden Abstimmungen wählen sollte. 

Das Gute und das Schlechte von Trumps Sieg im Weißen Haus

Nachdem Donald Trump die US-Wahlen gewonnen hatte, kontaktierte ich einen amerikanischen Kollegen. „Ich möchte wirklich nicht darüber reden“, seufzte er mit einem bitteren Lächeln. Ihm stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Ähnlich reagierte der bulgarische EU-Abgeordnete Radan Kanev (Mitte-Rechts; Europäische Volkspartei), der Trumps Sieg als „schlechte Nachricht für Europa und die Beziehungen zwischen der EU und den USA“ bewertet. Auf der bulgarischen Nachrichtenplattform Mediapool warnte er, Europa und Bulgarien müssten jetzt schnell handeln, um die NATO-Verteidigung in der Region zu sichern, die Klimapolitik zu überdenken und die Handels- und Industriepolitik zu stärken. Im Nachhinein betrachtet, so Kanev weiter, sei die Zögerlichkeit einer der Gründe für Europas Schwäche in der Auseinandersetzung mit Russland.

Der englischsprachige Redakteur der Plattform Kosovo 2.0, Nicholas Kulawiak, stimmt nicht nur zu, dass Trump eine Bedrohung für den Zusammenhalt der NATO darstellt, sondern befürchtet auch, dass er „versuchen wird, die Spannungen zwischen dem Kosovo und Serbien ad hoc zu beseitigen, was die Souveränität des Kosovo untergraben und die Hilfen aus dem Ausland kürzen könnte.“

Der rumänische Politikwissenschaftler Marius Ghincea seinerseits erklärt gegenüber Luiza Popovici von der rumänischen Nachrichtenseite PressOne, Trumps Sieg werde „ all das ‘normalisieren’, was zuvor marginal, extremistisch, sozial und politisch inakzeptabel war“. Er ist der Meinung, dass die Sicherheit Osteuropas destabilisiert würde, sollte die Ukraine gezwungen werden, für einen vorübergehenden Frieden „erhebliche Zugeständnisse“ zu machen. Davon ausgehend, dass Trump während seiner ersten Amtszeit „eine sehr kritische Haltung gegenüber der Europäischen Union“ eingenommen hat, meint Ghincea außerdem, dass sich die Beziehungen zwischen der EU und den USA verschlechtern werden und Rumänien nun zwischen Sicherheit und seiner politisch-ökonomischen Entwicklung entscheiden muss. 

Der Preis von Trumps Frieden

Răzvan Filip, ebenfalls von PressOne bedauert, dass Trumps Sieg ein positives Signal an rechtsextreme Parteien in der ganzen Welt ist, da Extremismus allmählich zur Normalität wird. Wenn es um die Begründung für Trumps Triumph geht, nimmt Filip seine Leser direkt in die Verantwortung: „ Es liegt daran, dass Sie als Wähler nicht mehr nach politischen Programmen suchen, die Ihr Leben spürbar verbessern werden. Sie geben sich mit dem erstbesten Scharlatan zufrieden, der sich Ihre Beschwerden anhört und Ihr Ego streichelt.“ 

Diese Form von westlicher Dekadenz beklagt auch der rumänische Schriftsteller und Historiker Andrei Cornea in der Kulturzeitschrift Dilema Veche. „Aber es wird, sagen sie, Frieden geben. Ja, ein Frieden, der von Putin diktiert wird. Aber es werden Leben gerettet werden. Ja, aber das Leben von Sklaven. Ist es nicht genau das, was Dekadenz ausmacht? Zu vergessen, dass der Kampf für die Freiheit einen hohen Preis hat? Ist Heldentum denn nichts anderes als der Glaube, dass es Werte gibt, die wichtiger sind als das Leben selbst? Aber welcher westliche Politiker wird gewählt oder wiedergewählt, wenn er seinem Volk sagt, dass solche Opfer notwendig sind? Kennen Sie einen? Und kennen Sie ein solches Volk ?“, fragt der Historiker.  

Für den populistischen serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić könnten die US-Wahlen auch über Krieg und Frieden bestimmen. „Es ist nicht sicher, aber es könnte passieren, dass diese Wahl entweder Frieden bringt oder aber die Fortsetzung eines Krieges, der zum dritten Weltkrieg führen könnte“, sagte er im serbischen Fernsehen Happy, wie die russische Presseagentur TASS zitiert. Einen Monat zuvor hatte der stellvertretende serbische Ministerpräsident Aleksandar Vulin die zwischenstaatliche BRICS-Organisation als gangbare Alternative zur Europäischen Union dargestellt. „Ich bin überzeugt, dass es für Serbien keinen Platz in der Europäischen Union gibt, zumindest solange die EU keine nennenswerten Anstrengungen unternimmt, uns als Vollmitglied aufzunehmen“, sagte er in einem Interview mit der russischen Zeitschrift National Defence, wie die bulgarische Nachrichtenagentur Novinite berichtet.

PressOne -Redaktionsleiter Adrian Mihălțianu ist optimistisch und meint, dass die Länder Mittel- und Osteuropas von der steigenden Aufmerksamkeit der Vereinigten Staaten profitieren könnten, weil sie als Pufferzone im Umgang mit Russland dienen. Auch Sean Monaghan, Professor am Center for Strategic and International Studies rät, erst einmal abzuwarten. Er wird in einen Artikel von Kostas Koukoumakas, Katerina Voutsina und George Schinas für die griechische Medienplattform iMEdD zitiert: „Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob Trump seine Maßnahmen umsetzen wird. Obwohl er während seiner ersten Amtszeit ähnliche Drohungen aussprach, kann man zu dem Schluss kommen, dass seine Politik letztlich Amerikas Abschreckung in Europa gestärkt hat. „Wie hochrangige Republikaner den NATO-Führern geraten haben: Nehmen Sie Trump ernst, nicht wörtlich.“

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