Laut Forscher*innen der Economist Intelligence Unit (EIU) ist Rumänien keine „mangelhafte Demokratie“ mehr, sondern – als einziger Staat in der EU – ein „hybrides Regime“, wie es im Demokratieindex 2024 heißt. Allerdings macht dies das Land nicht viel demokratischer. Emilia Șercan nennt auf der investigativen rumänischen Nachrichtenplattform PressOne die Gründe für Rumäniens Demokratiedefizit: die korrupten Geheimdienste des Landes, das langjährige Versagen der Geheimdienststrukturen der rumänischen Armee und eine parteiische Justiz. Kein Wunder also, dass die Anhänger*innen des rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Călin Georgescu frustriert sind von der aktuellen Politik und einen Wechsel wollen.
Călin Georgescu, das Symptom einer weitverbreiteten Krankheit
So wie ein schwaches Immunsystem den Organismus anfälliger für Infektionen macht, haben Rumäniens Systemfehler es Georgescu ermöglicht, für das Präsidentenamt zu kandidieren und die erste Runde der Wahlen im letzten Jahr zu gewinnen, trotz seiner zwielichtigen Verbindungen. Das war, bevor das rumänische Verfassungsgericht die Wahlen aufgrund von „aggressiver hybrider Aktionen Russlands“ für ungültig erklärte.
Doch Georgescus Verbindungen zu Russland sind nicht das einzige Problem. Er steht auch an der Spitze „eines Netzwerks, das die rumänische Verfassungsordnung demontieren will und sich dabei auf eine illegal bewaffnete Parallelorganisation stützt. Das Netzwerk verbreitet mithilfe von Influencern und Influencerinnen sowie einem privilegiertem Zugang zu Facebook und TikTok faschistischen, rassistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Hass“, erklären Eugeniu Popescu und Adina Revol in einer von Le Grand Continent veröffentlichten Reportage.
Trotz seiner schmutzigen Vergangenheit hat Georgescu mittlerweile Millionen von Followern. Wie der Enthüllungsjournalist Andrei Popoviciu in seinem jüngsten Gastbeitrag im Guardian erklärt, ist Georgescus Erfolg symptomatisch für einen Trend, der von ausländischen Akteuren, darunter Russland, befeuert wird: das Wiederaufleben ultranationalistischer, antidemokratischer Bewegungen, die wirtschaftliche Unsicherheit, gesellschaftliche Spaltungen und das Misstrauen gegenüber etablierten Institutionen ausnutzen“.
Im Februar wurde Georgescu laut dem Nachrichtensender Digi24 von der rumänischen Staatsanwaltschaft angeklagt wegen seiner verfassungswidrigen Handlungen und lügenhaften Äußerungen. Auch fördere er nach Ansicht des Gerichts den Kult um Personen, die des Völkermordes beschuldigt wurden.
Es ist daher keine Überraschung, dass Georgescus Versuch, sich als Kandidat für die bevorstehenden Wahlen am 4. Mai aufstellen zu lassen, scheiterte. Die rumänische Wahlkommission (BEC) konnte die Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht aufheben, weil Georgescus Einspruch einstimmig abgelehnt wurde, berichtet Cristian Otopeanu in der rumänischen Tageszeitung Libertatea. Die Vorsitzenden der beiden rechtsextremen Parteien George Simion (AUR; Allianz für die Union Rumäniens) und Anamaria Gavrilă (POT; Partei der jungen Leute) hatten daraufhin angekündigt, Unterschriften sammeln zu wollen, um an seiner Stelle für das Präsidentenamt zu kandidieren, wie Alexandru Mihăescu auf G4Media berichtet.
Die Frist für die Unterschriftensammlung endet am 15. März, am gleichen Tag, an dem in Bukarest auch eine Demonstration gegen Extremismus und für europäische Werte stattfinden soll, schreibt Adelina Maracine vom rumänischen Online-Portal HotNews. Aufgerufen dazu haben die Autoren und Autorinnen des „Manifests für Europa“, das von 36 Organisationen der Zivilgesellschaft sowie 41 Aktivist*innen und Expert*innen unterzeichnet wurde.
Schmieden die USA und Russland ein Komplott gegen die EU?
Die gesamte Region scheint mittlerweile unter russischem Einfluss zu stehen und es gibt Anzeichen dafür, dass das Weiße Haus dem Kreml unter die Arme greift.
So reagierten sowohl Moskau als auch Washington umgehend auf Georgescus Kandidaturverbot. Nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax erklärte Putins Pressesprecher, Dmitri Peskow, alle Wahlen, die ohne Georgescu abgehalten würden, für illegitim. Auf der anderen Seite des Atlantiks bezeichnete Elon Musk auf X, das Verbot als „verrückt“ und empörte sich darüber, dass Georgescu zu einer fünfstündigen Anhörung in Gewahrsam genommen wurde. „Sie haben gerade die Person verhaftet, die die meisten Stimmen bei den rumänischen Präsidentschaftswahlen erhalten hat. Das ist eine Schweinerei“, schrieb er im Februar auf X. Dazu passt, dass Georgescu und Musk beide verdächtigt wurden, den Nazigruß zu zeigen, wie Euronews in Rumänien unterstrich.
Auch in der Republik Moldau bitten prorussische Kräfte Donald Trump indirekt um Hilfe. Die prorussische Gouverneurin der moldauischen Region Gagausien, Evghenia Gutul zum Beispiel. Sie warf der moldauischen Regierung vor, ein Szenario nach dem Vorbild der Ukraine anzustreben, in dem Maia Sandus führende liberale Kräfte „unbegrenzte US- und EU-Gelder“ erhalten könnten, wie die moldauische Zeitung Ziarul de Gardă berichtet. Ein Vorgehen, das an Georgescus Bitte an Trump erinnert, sich „um Rumänien zu kümmern“, nachdem er verhaftet wurde, wie Digi24 betont.
Nach der öffentlichen Demütigung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus warnte die moldauische Präsidentin Maia Sandu während eines Online-Gipfels zum dritten Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine vor einem „kompromittierten Frieden, der die Sicherheit der Ukraine ignoriert und Europa an den Rand drängt, weil dieser die Bedrohung nicht beenden, sondern nur verschieben wird“, wie Ziarul de Gardă berichtet. Ihre Bedenken decken sich mit denen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der ebenfalls davor warnte, dass sich „Putin Moldawien und Rumänien zuwenden wird, wenn er nicht gestoppt wird“, schreibt die bulgarische Nachrichtenplattform Mediapool.
Auch Serbiens Präsident Alexander Vučić, berichtet die russische Nachrichtenagentur TASS, habe Wladimir Putin für seine Unterstützung während der „Farbenrevolution“ in seinem Land gedankt. Laut der serbischen Tageszeitung Danas äußerte Vučić zudem seine Unterstützung für Donald Trump und lobte insbesondere seine Haltung gegenüber bestimmten Nichtregierungsorganisationen, die Vučić beschuldigt hatten, an „staatsfeindlichen Aktionen“ beteiligt gewesen zu sein. Dies hinderte serbische Studenten und Studentinnen jedoch nicht daran, ihre Proteste fortzusetzen. Laut Danas zelteten sie sogar zwischen dem serbischen Parlament und dem Präsidentenamt.
Proteste sorgen weiter für Schlagzeilen
Die Proteste gegen die korrupten Regime in Südosteuropa gehen weiter und verlaufen nicht immer friedlich. Als Georgescus Kandidatur in Rumänien erneut abgelehnt wurde, begannen seine Anhänger*innen, Zäune zu durchbrechen, Flaschen und Steine zu werfen, wie David Leonard Bularca und Rebecca Popescu auf Hotnews berichten.
Bei der Live-Übertragung der Proteste sah ich, wie einige der Polizisten und Polizistinnen humpelten, nachdem sie von Steinen getroffen worden waren. Ähnlich gewalttätige Szenen spielten sich in Griechenland ab, wo der zweite Jahrestag der Zugkatastrophe von Tempi zur größten Demonstration in der Geschichte des Landes führte, wie die griechische Zeitung Efimerida ton Syntakton berichtet.
Um mit einer positiven Note zu enden, möchte ich den Philosophen und Gründer des rumänischen Kulturmagazins Dilema Veche, Andrei Pleșu zitieren. Er erinnert die Anhänger*innen der rechtsextremen Bewegungen auf dem Balkan daran, dass „ein guter Patriot kein Fanatiker ist, sondern Menschen liebt und weiß, dass die Natur nicht zwischen Deutsch, Englisch, Französisch, Griechisch oder Rumänisch unterscheidet” - wiederum ein Zitat des berühmten rumänischen Schriftstellers Ion Heliade Rădulescu.
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