Europas Presse unter politischem und finanziellem Druck

Budgetkürzungen, Repressionen, Wirtschaftskrisen - auch für die europäische Presse sind gerade harte Zeiten. Der Reporter ohne Grenzen Bericht 2025 zeigt, wie schlecht es weltweit um die Pressefreiheit bestellt ist.

Veröffentlicht am 26 Mai 2025

Normalerweise ist das Internationale Journalismusfestival in Perugia für Journalist*innen aus aller Welt eine willkommene Gelegenheit, über Erfolge und Misserfolge zu sprechen oder Tipps auszutauschen - eine Art Familientreffen, zu dem man immer wieder gerne kommt. Trotz des guten Wetters und einer Rekordzahl an Veranstaltungen - zu viele, wie manche meinen - hatte die diesjährige Ausgabe jedoch zeitweise etwas von einer Gruppentherapie. Die Stimmung war düster angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die vor allem unabhängigen Medien zu schaffen machen, der abrupten Aufkündigung sämtlicher Finanzierungshilfen seitens der USA, die erstaunlich viele Publikationen betrifft, und der zunehmenden Repression gegenüber Journalist*innen. 

Bei Espresso oder Aperitivo waren sich alle einig, dass der Journalismus und die Medien - wieder einmal - eine schwere Krise durchmachen. Eine heikle Phase, die für viele Medien das Aus bedeuten könnte. Ein Gefühl, das wenige Tage später durch den Reporter ohne Grenzen Bericht 2025 bestätigt wurde. Der darin enthaltene Index der weltweiten Pressefreiheit ist alarmierend.


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„Physische Gewalt gegen Journalist*innen ist der sichtbarste Aspekt der Angriffe auf die Pressefreiheit. Der wirtschaftliche Druck ist jedoch ebenso heimtückisch und ein großes Hindernis”, stellt die in Paris ansässige NGO fest. Was Europa betrifft, so sind „die unabhängigen Medien [...] mit einer beispiellosen Wirtschaftskrise konfrontiert, die durch die abrupte Einstellung der US-Hilfe und die Verstärkung der russischen Propaganda noch verschärft wird”, heißt es in dem Bericht. „Insbesondere die Aussetzung der Finanzierung von Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) und der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) - haben einen bereits angeschlagenen Sektor noch mehr geschwächt, vor allem in Ländern, die mit autoritären Regimen, Korruption oder Krieg zu kämpfen haben.”

Diese „wirtschaftliche Erstickung” trifft vor allem unabhängige Medien in den Ländern des ehemaligen Sowjetblocks - Ukraine, Georgien, Armenien, Belarus, Russland und Aserbaidschan - vor Ort oder im Exil. Einige sind zu mehr als zwei Dritteln von dieser Hilfe abhängig und standen praktisch über Nacht ohne Finanzierung da.

Obwohl die Europäische Union und die Balkanländer zu den Regionen der Welt gehören, in denen die Situation für Medien und Journalist*innen relativ gut ist, können sie sich der zunehmenden Bedrohung der Pressefreiheit infolge des wirtschaftlichen und politischen Drucks nicht entziehen. Eine Einschätzung, die durch den aktuellen Jahresbericht der NGO Civil Liberties Union for Europe bestätigt wird. Darin wird die Medienkonzentration in Kroatien, Frankreich, Ungarn, Malta, den Niederlanden, Slowenien, Spanien und Schweden angeprangert. Auch die mangelnde Transparenz der Presseeigentümer*innen in Kroatien, der Tschechischen Republik, Ungarn, Italien, Malta und den Niederlanden sowie das sinkende Vertrauen in die Medien in Bulgarien, Kroatien, der Tschechischen Republik, Griechenland, Ungarn, Malta, der Slowakei und Spanien werden darin thematisiert. Ein weiteres Problem für Journalist*innen sind die Einschüchterungsverfahren, die „nach wie vor gravierend sind in Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Kroatien, Italien, Litauen, den Niederlanden, der Slowakei, Slowenien und Ungarn.

Zudem wird die Pressefreiheit durch das in vielen Ländern vorherrschende Geschäftsmodell im Mediensektor eingeschränkt, das es Regierungen erlaubt, Druck auf Journalist*innen auszuüben. Peter Erdelyi vom Zentrum für nachhaltige Medien nimmt dafür Ungarn als Beispiel und beschreibt ein System, das seiner Meinung nach auch auf viele andere postkommunistische Länder anwendbar ist: Der Verkauf von Anzeigen ist für viele Medien die einzige Geldquelle, wobei der Staat nach wie vor einer der größten Werbekunden ist. Medien mit regierungsnahen Redaktionen erhalten daher viele Aufträge, während regierungskritische Schwierigkeiten haben, sich finanziell über Wasser zu halten. In diesem Zusammenhang wurde bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde wegen illegaler staatlicher Unterstützung für bestimmte Publikationen sowie Markt- und Wettbewerbsverzerrung eingereicht. Ein Argument, das auf EU-Ebene, wo freier Wettbewerb großgeschrieben wird, nicht auf taube Ohren stoßen dürfte.

Falls doch, steht für die Pressefreiheit viel auf dem Spiel: „Wenn die Behörden (und damit die Gerichte) diese Praxis für legal halten, wird sie zum Modell und die Regierungen werden sich auch in andere Sektoren einmischen”, erklärt Peter Erdelyi. Umgekehrt könnte eine Verurteilung des ungarischen Staates den Ruin des Fidesz-Medienimperiums bedeuten, wie die HVG berichtet.

Eine andere Art von finanziellem Druck auf unabhängige Medien wird indirekt über die sogenannten „Gesetze über ausländische Agenten” ausgeübt. In The Guardian warnt Antonio Zappulla vor dieser Art von Gesetzen, die auf der ganzen Welt blühen: Georgien, Belarus, Kirgisistan, Russland, Venezuela, Türkei und Paraguay sind nur einige Beispiele. Diese Texte verpflichten Medien und NGOs, die mindestens zu 20 % durch ausländische Hilfe finanziert werden, sich als solche zu deklarieren. In Georgien geschieht dies in Form eines sehr expliziten Hinweises, der eine echte Abschreckung für potenzielle Leser*innen darstellt: „Im Interesse eines ausländischen Agenten handelnd” muss dort am Anfang jeder Veröffentlichung stehen.

Zappulla schreibt: „Da Desinformationskampagnen und Fälle von Wahlbeeinflussung zunehmen, ziehen viele Länder solche Gesetze in Betracht - darunter auch Italien und das Vereinigte Königreich, um nur zwei zu nennen.” Die Gefahr liegt also nicht in diesen Gesetzen selbst oder in dem, was sie angeblich bekämpfen, sondern in der Mehrdeutigkeit der Formulierungen. Durch absichtlich vage Definitionen können die Aktivitäten von Journalist*innen und Aktivist*innen behindert werden. Das soziale Stigma, das durch diese Begriffe entsteht, treibt viele Journalist*innen ins Exil, wo sie dem jedoch auch nicht entkommen, weil die Leser*innen in ihren Heimatländern ihnen weiterhin misstrauen.

Neben der damit verbundenen Zensur hat das alles auch „verheerende Auswirkungen auf die künftigen Generationen von Journalist*innen in diesen Ländern, da sie ihre beruflichen Fähigkeiten in einem diskreditierten Sektor nur schwer entwickeln können. Dadurch entsteht ein Vakuum und es gibt keinen Widerspruch mehr gegen die staatliche Propaganda”, erklärt Zappulla weiter. 

Auch die wiederholten persönlichen Angriffe, denen Journalist*innen ausgesetzt sind, tragen zu diesem Phänomen bei, ebenso wie die Selbstzensur, die manche aus Angst vor Repressalien praktizieren. Ein Bericht von Marta Frigerio und Gianluca Liva für die Beobachtungsstelle für diffamierende Reden gegen die Medien zeigt, dass es in Italien ein informelles Netzwerk von Social-Media-Konten gibt, das mit Rechtsextremen verbunden ist und gegen Klimaschutzjournalist*innen hetzt. 

Aus dem Bericht geht auch hervor, dass Freiberufler*innen besonders anfällig für diese Art von Attacken sind. Frigerio und Liva sind jedoch um Lösungen bemüht: „Dieser Bericht verfolgt zwei Ziele. Erstens: den Aufbau eines Netzwerks zur Unterstützung unabhängiger Journalist*innen, damit sie wissen, dass es Organisationen gibt, die ihnen helfen und sie diesen Bedrohungen nicht weiter allein ausgesetzt sind. Zweitens: Den Anstoß einer öffentlichen Debatte, um das Bewusstsein für den wachsenden Online-Hass zu schärfen, weil Schweigen ihn nur weiter stärkt und verbreitet.”

Angesichts dieser wachsenden Bedrohungen bleibt Bewusstseinsbildung in der Tat das beste Mittel. Natalia Antelava hat die Situation nach ihrer Rückkehr aus Perugia treffend in einem Post formuliert: „Objektivität war klarerweise schon immer ein Luxus, der nur wenigen Privilegierten vorbehalten war. Für viele, die seit jeher Repressionen ausgesetzt sind, war Neutralität nie eine Option. Jetzt, wo uns allen der Boden unter den Füßen wegbricht, werden ihre Erfahrungen und Überlebensstrategien zu wichtigen Lektionen für den gesamten Berufsstand.”

Natalia Antelava weist auch auf die Bedeutung der Erhaltung geschützter Räume hin. Im Tumult einer immer bedrohlicheren Umwelt ist das Überleben von Inseln der freien Meinungsäußerung, so isoliert sie auch sein mögen, von entscheidender Bedeutung. Diese Inseln können eine Überlebensgarantie für die freie Presse sein. Sobald der Sturm vorüber ist, können diese Inseln wieder zu Festland werden, das immer größer wird und auf dem Pressefreiheit wieder auf sichererem Boden steht.

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ECF, Display Europe, European Union

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