Acht Monate nach Georgiens gefälschten Parlamentswahlen erreicht die Regierung in Tiflis neue Meilensteine des demokratischen Rückschritts. Sie hat damit begonnen, Fernsehsender der Opposition zu zensieren, wenn sie Begriffe verwenden, die ihr nicht gefallen, und Mitglieder der Öffentlichkeit für Facebook-Posts zu verfolgen, die die Regierungspartei „Georgischer Traum“ beleidigen.
Dies ist jedoch nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was im vergangenen Jahr in Georgien mit der Rede- und Meinungsfreiheit geschehen ist. Die Medienfreiheit in diesem Land hängt am seidenen Faden. Es kann nur noch eine Frage von Monaten sein, bis dieser reißt und wir als unabhängige Medien, Journalistinnen und Journalisten nicht mehr in der Lage sein werden, zu arbeiten.
Vor vier Jahren, nach einer Reihe brutaler Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten durch die extreme Rechte, dachten wir: „Was könnte schlimmer sein als das?“ Heute stehen wir vor Herausforderungen wie physische Sicherheit, digitale Sicherheit, Druck durch neue Gesetze, Hasskampagnen, gezielte Angriffe auf einzelne Medien, Journalistinnen und Journalisten, finanzielle Sanktionen und nun auch strafrechtliche Verfolgung. Mzia Amaghlobeli, Gründerin der unabhängigen Publikationen Batumelebi und Netgazeti, drohen bis zu sieben Jahre Gefängnis.
In Georgien sind Journalistinnen und Journalisten weder vor körperlichen Angriffen noch vor Geldstrafen oder Gefängnis geschützt.
Nachdem die Partei „Georgischer Traum“ bei den jüngsten manipulierten Parlamentswahlen eine nominelle Mehrheit erlangt hatte, versuchte sie, ihre Macht durch die beschleunigte Einführung repressiver Gesetze zu erhalten. In den letzten zwei Jahren hat die Regierung mindestens 16 repressive Gesetze und Änderungen verabschiedet, von denen sich einige direkt gegen die Presse richten. Die Behörden verfügen jetzt über Gesetze, die unsere Existenz bedrohen.
Wenn die Polizei zur Bedrohung wird
Im heutigen Georgien gibt es niemanden mehr, der Journalistinnen und Journalisten physisch vor Übergriffen schützt. Im vergangenen Jahr und insbesondere nach der Entscheidung vom 28. November 2024, den EU-Integrationsprozess Georgiens zu stoppen, hat die Polizei bei Übergriffen auf Journalistinnen und Journalisten mitgewirkt, anstatt diese zu schützen.
Während der Proteste im November und Dezember wurden mehr als 100 Übergriffe auf Journalistinnen, Journalisten und Mitarbeitende von Medienunternehmen dokumentiert. Einige Opfer erlitten lebensbedrohliche Verletzungen. Keiner der Vorfälle wurde auch nur oberflächlich untersucht.

Die Regierungspartei „Georgischer Traum“ hat vor kurzem angekündigt, dass der Sonderermittlungsdienst (SIS), der nominell für die Untersuchung von Beschwerden gegen die Polizei zuständig ist, direkt der Staatsanwaltschaft unterstellt werden soll.
Der SIS war aber schon vorher eindeutig machtlos. Ich war selbst an mehreren „Ermittlungen“ zu polizeilichen Maßnahmen beteiligt, die direkt gegen meine Rechte als Journalistin verstoßen hatten. Ich ging mit meinen Anwältinnen und Anwälten zum SIS, und wir diskutierten stundenlang über die Angelegenheit. Die Mitarbeitenden des Sonderermittlungsdienstes erweckten den Eindruck, dass sie sich um den Fall kümmern. Aber es gab nie ein Follow-up und die Fälle wurden nie gelöst.
KI-gestützte Geldstrafen
Der Sonderermittlungsdienst funktioniert vielleicht nicht, die brandneue KI-Gesichtserkennungstechnologie der Regierung dafür aber umso besser. Auf der Rustaveli Avenue, der Hauptstraße von Tiflis und dem Zentrum der Proteste, sind Kameras installiert.
Für die Polizei ist es jetzt mit so wenig Aufwand verbunden wie nie zuvor, gegen Personen ein Bußgeld in Höhe von 5.000 ₾ (1.600 €) für das „Blockieren der Fahrbahn“ zu verhängen – ein kürzlich eingeführtes Delikt.
Dieses neue Gesetz richtet sich nicht nur gegen Demonstrierende. Weil ich als Journalistin über die Proteste berichtet habe, wurden gegen mich auf der Grundlage dieses Gesetzes 20.000 ₾ (6.400 €) an Bußgeldern verhängt. Selbst die „Beweise“, die vorgelegt wurden, zeigen, dass ich einen Presseausweis und eine Kamera trage. Dem System ist das inzwischen egal.
Bislang wurden mehr als zwanzig Journalistinnen und Journalisten auf der Grundlage des Gesetzes über Straßenblockaden zu Geldstrafen verurteilt. Zunächst wurden die Bußgelder bei einigen Reporterinnen und Reportern aufgehoben, nachdem diese beim Innenministerium Einspruch eingelegt hatten. Doch vor wenigen Tagen wurde mein erster Einspruch abgelehnt. Es sieht so aus, als ob alle meine vier Geldstrafen in Kraft bleiben.
Als ein Journalist auf der Rustaveli Avenue von der Bereitschaftspolizei fast getötet wurde, reichte das AI-Überwachungssystem offenbar nicht aus, um den Fall zu untersuchen. Aber wenn friedliche Demonstrierende auf dieser Straße stehen, sind dieselben Kameras schnell zur Stelle, um die Behörden zu benachrichtigen, die später eine Geldstrafe verhängen. Selbst wenn ein(e) Journalist(in) mitten am Tag angegriffen wird, während ein Polizeiauto und Polizeibeamtinnen und -beamte in der Nähe sind, findet keine Untersuchung statt.
Das Gesetz ist jetzt eine Waffe gegen uns
Trotz der vielen neuen Gesetze ist eines klar geworden: Es gibt in Georgien keine Rechtsstaatlichkeit mehr. Stattdessen setzen die Behörden Gesetze, Polizei und Gerichte ein, um diejenigen zu bestrafen, die versuchen, Widerstand zu leisten oder die wahre Natur des Systems zu enthüllen.
Wenn ich an das letzte Jahr zurückdenke, ist klar, dass wir einen Fehler gemacht haben. Wir haben uns wie besessen mit dem Text des ersten Gesetzes über ausländische Agenten beschäftigt und damit, was wir tun könnten, um dieses Gesetz zu überleben. Diese kostbare Zeit hätten wir wahrscheinlich besser damit verbracht, über den Wahlkampf und die möglichen Risiken zu berichten, die ein neues elektronisches Wahlsystem für unsere Demokratie mit sich bringen würde.
Letztendlich hat die Partei „Georgischer Traum“ das erste Gesetz über ausländische Agenten nie angewandt. Das zweite Gesetz dieser Art, FARA, ist gerade in Kraft getreten. Wir haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. (FARA ähnelt insofern dem US-amerikanischen Gesetz zur Registrierung ausländischer Agenten von 1938, als sein vordergründiges Ziel darin besteht, Personen oder Organisationen zu enttarnen, die für ausländische Organisationen arbeiten).
Ich denke, es ist nicht mehr wichtig, was das Gesetz sagt. Wenn die Partei „Georgischer Traum“ heute jemanden nicht leiden kann, wird er verfolgt. Wenn FARA so durchgesetzt würde, wie es geschrieben steht, dann müssten Tausende von Menschen ins Gefängnis kommen. Wird dies geschehen? Wahrscheinlich nicht, oder zumindest noch nicht. Aber es wird exemplarische Strafen geben, um Angst und Schrecken zu verbreiten.
Diese Angst ist bereits vorhanden. Mein eigenes Medienunternehmen, OC Media, hat Erfahrungen aus erster Hand. Erst vor kurzem hat unser langjähriger Vermieter den seit sechs Jahren bestehenden Mietvertrag für unser Büro gekündigt. Wochenlang trafen wir Immobilienbesitzer, die sich weigerten, an uns zu vermieten, weil sie Angst davor hatten, was ihnen passieren könnte, wenn sie es täten.
Warum wir tun, was wir tun
Georgien versinkt schnell im Autoritarismus, und das bedeutet, dass Journalistinnen und Journalisten ernsthafte Risiken eingehen. Das Risiko eines körperlichen Angriffs. Das Risiko, nach dem neuen FARA-Gesetz hohe Geldstrafen für die Berichterstattung über Proteste oder einfach nur für die Ausübung ihrer Arbeit zu erhalten. Das Risiko einer fünfjährigen Haftstrafe, wenn man nicht als „ausländischer Agent“ registriert ist.
Das Risiko, zur Zielscheibe einer Verleumdungskampagne von Propaganda-Fernsehsendern und regierungsnahen Kanälen in den sozialen Medien zu werden. Das Risiko, Gehalt, Büro und Ausrüstung zu verlieren. Und für alle, die keine Staatsbürger*innen sind, aber seit Jahren hier leben (wie es bei einem großen Teil unseres Teams der Fall ist), das ernsthafte Risiko, bald nicht mehr in das Land zurückgelassen zu werden.
Von den Journalistinnen, Journalisten und Medien, die diese Risiken in den letzten drei Jahren standhaft ertragen haben, behauptet die große Mehrheit, keine Angst zu haben. Vielleicht haben sie Angst, aber sie zeigen es nicht. Sie machen stur weiter ihre Arbeit.
Ich werde oft von Menschen außerhalb Georgiens gefragt: „Was kann ich jetzt tun, um zu helfen?“ Es ist zu spät, denke ich. Es gab eine Chance, dies zu verhindern. Heute verlieren wir jedoch die Kontrolle über die Ereignisse. Es wird viel schwieriger sein, die Talfahrt zu stoppen. Aber wir können die Situation in Georgien immer noch bekannt machen.
Ich werde oft von Menschen außerhalb Georgiens gefragt: „Was kann ich jetzt tun, um zu helfen?“ Es ist zu spät, denke ich. […] Aber wir können die Situation in Georgien immer noch bekannt machen.
Wir können weiterhin Druck auf die Funktionärinnen und Funktionäre der Partei „Georgischer Traum“ und ihren Gründer, den Oligarchen Bidzina Ivanishvili, ausüben. Wir können die Politik der Nicht-Anerkennung der Regierung fortsetzen. Wir können flexibel sein bei der Finanzierung von Menschen, die vor Ort arbeiten und die verschiedene Lösungen ausprobieren, um zu überleben. Kurz gesagt, wir können weiterhin diejenigen unterstützen, die nicht aufgegeben haben und weiterkämpfen.
Wenn ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen an den Protesten teilnehme, diskutieren wir darüber, wie unser Leben im Gefängnis aussehen wird, wenn es so weit kommt. Wir tauschen unsere Erfahrungen darüber aus, wie wir zu unseren Geldstrafen gekommen sind oder welche Gründe für die Ablehnung unserer Einsprüche vorlagen. Wir sprechen darüber, wie die Gerichtsverhandlung von jemandem verlaufen ist. Die Unterdrückung ist zu einem Teil unseres täglichen Lebens geworden. Obwohl die Zukunft düster erscheint, ist die Solidarität unter den Journalistinnen und Journalisten so stark wie eh und je.

Warum machen wir unsere Arbeit trotz aller Risiken weiter? Darüber denke ich viel nach, und es gibt zahlreiche Erklärungen. Ich glaube, dass Qualitätsjournalismus einen großen Einfluss haben kann und dass er etwas ist, das autoritäre Regierungen nicht mögen. Deshalb haben sie all das getan, was ich oben aufgezählt habe. Diese Tatsache signalisiert mir, dass es jetzt wichtiger ist denn je, dass wir unsere Arbeit weiter machen.
Zweitens: Ich liebe den Journalismus. Ich kann mir nicht vorstellen, etwas anderes mit der gleichen Leidenschaft zu tun. Und ich kann mir nicht vorstellen, meinen Beruf irgendwo anders auszuüben. Ich bin hier geboren.
Schließlich können wir jetzt nicht aufgeben. Journalistinnen und Journalisten wie Mzia Amaghlobeli sitzen im Gefängnis, während wir das Privileg genießen, draußen zu sein. Irgendwie ist es uns immer noch erlaubt, das zu tun, was wir tun. Wir müssen diese Gelegenheit nutzen, solange wir können. Es könnte jemandem helfen. Selbst wenn es nur einer Person hilft, wird es sich lohnen.
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