Die Regierung von Bosnien und Herzegowina hat das Vareš-Projekt als strategische Investition eingestuft und damit den Weg für gesetzliche Ausnahmen geebnet. 2021 erhielt das britische Unternehmen Adriatic Metals die Rechte für die Ausbeutung von Zink, Blei und Schwerspat mit Plänen zur Erweiterung auf Gold-, Silber- und Kupfervorkommen in Umweltschutzgebieten. Im Januar 2024 meldete das Wasserversorgungsunternehmen Vodokom einen starken Anstieg des Cadmiumgehalts im Fluss Bukovica, der die rund 30 000 Einwohner*innen von Kakanj mit Trinkwasser versorgt. Die Verunreinigung wurde während der Intensivierung der Bergbauaktivitäten flussaufwärts der Quelle festgestellt.
Die nationale Umweltaufsichtsbehörde spielte den Vorfall herunter und führte das Vorhandensein des Metalls auf einen natürlichen Ursprung zurück. Adriatic Metals durfte seine Arbeit fortsetzen. Anstatt eine unabhängige Untersuchung einzuleiten, erteilten die Institutionen neue Genehmigungen, ohne die Öffentlichkeit zu konsultieren, und bezeichneten das Bergwerk als eines der wichtigsten Projekte für die Wirtschaft und Entwicklung von Bosnien und Herzegowina.
Gleichzeitig wandten sich lokale Aktivist*innen an den Ausschuss der Berner Konvention zur Erhaltung von Europas wildlebenden Pflanzen, Tieren und ihrer natürlichen Lebensräume, die auch von Bosnien und Herzegowina unterzeichnet wurde, um darauf hinzuweisen, dass die Mine die biologische Vielfalt und geschützte Lebensräume in dem Gebiet gefährdet.
2022 hatte der Ausschuss empfohlen, das Projekt bis zum Abschluss der Untersuchungen auszusetzen. Doch die bosnischen Behörden ignorierten die Aufforderung, und das Bundesumweltministerium forderte den Ausschuss der Berner Konvention im März 2024 sogar auf, alle Behauptungen über mögliche schädliche Auswirkungen des Bergwerks auf die biologische Vielfalt und die Wasserquellen in Zentralbosnien zurückzunehmen.
SLAPPs und andere Einschüchterungsversuche
Zu den wichtigsten kritischen Stimmen gehört die von Hajrija Čobo. Die Umweltaktivistin wird nicht müde, die Risiken der Mine und die damit verbundene Zerstörung der Wälder anzuprangern. Daraufhin reichte Adriatic Metals eine SLAPP-Klage gegen sie ein, also eine strategische und unrechtmäßige Form der Klage (abgeleitet vom Englischen slap = Schlag ins Gesicht) mit dem Zweck, Kritiker*innen einzuschüchtern und ihre öffentliche Kritik zu unterbinden.
Urteile wurden ignoriert
Am 30. Dezember 2024 hob das Kantonsgericht Mostar die Genehmigung für das Bergwerk auf, da es schwerwiegende Mängel in der Umweltverträglichkeitsstudie feststellte, insbesondere in Bezug auf die Quellen der Bukovica.
Nachdem die Medien über das Urteil berichtet hatten, stellte das Ministerium keine zwei Wochen nach der Aufhebung der Genehmigung eine neue Genehmigung aus und ergänzte sie mit den in der Zwischenzeit von Adriatic Metals erhaltenen Unterlagen. Und das alles ohne öffentliche Debatte. Das neue Dokument wurde nie veröffentlicht; wir haben es nur auf Nachfrage und unter Berufung auf das Gesetz über den freien Zugang zu Informationen erhalten.
„Die kontinuierliche hydrogeologische Überwachung der Quantität und Qualität des Grundwassers im Zeitraum zwischen 2021 und 2024 hat keine Veränderungen [...] im umliegenden hydrologischen System ergeben”, heißt es in dem Dokument. Darin wird auch der Unterschied zwischen dem Gebiet, in dem die Bergbauaktivitäten durchgeführt werden, und dem Gebiet, das in Konzession gegeben wurde, dargelegt. Wie das Ministerium betont, ist es wichtig, dass der Bergbau nicht in das Gebiet der geschützten Quellen eingreift. Doch handelt es sich um ein Gebiet, das sich teilweise mit dem Konzessionsgebiet deckt.
Andere Fragen wurden nicht eingehend behandelt, darunter die der Mülldeponie, der Forststraßen und der Abholzung der staatseigenen Wälder.
Eine verfassungswidrige Entscheidung
2024 setzte das Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina die Entscheidung aus, mit der die Bundesregierung die vorübergehende Nutzung von 72 Hektar Staatswald durch Adriatic Metals genehmigt hatte. Die Konzession wurde für verfassungswidrig erklärt, da sie ohne Stellungnahme der Staatsanwaltschaft und unter Verstoß gegen eine Bestimmung des Hohen Repräsentanten der Vereinten Nationen über das Einfrieren der Nutzung von Staatseigentum bis zur Verabschiedung eines spezifischen Gesetzes erteilt wurde. Das Urteil blieb jedoch folgenlos. Sechs Monate später gingen die Arbeiten ungestört weiter. „Es ist bekannt, dass die Bergbauaktivitäten in dem Gebiet weitergehen“, räumte das Gericht selbst gegenüber Radio Slobodna Evropa ein.
Die Aussage des bosnischen Ministerpräsidenten Nermin Nikšić, der den Wald als „unfruchtbar und nutzlos“ bezeichnete, sorgte für Empörung. Umweltschützer*innen weisen darauf hin, dass es sich um einen einzigartigen Lebensraum mit mehr als drei Jahrhunderte alten Bäumen handelt und keineswegs um Land, das einer kurzfristigen Entwicklung geopfert werden darf.
Stoppt die Abholzung
In den letzten Jahren wurden mehrere Klagen gegen Adriatic Metals wegen der Abholzung eines Staatswaldes eingereicht. Die von der Forstbehörde des Kantons Zenica-Doboj im Oktober 2023 eingereichte Klage wegen illegalen Fällens von mehr als hundert Bäumen wurde von der kantonalen Staatsanwaltschaft jedoch abgewiesen, weil „die Tatbestandsmerkmale der Waldzerstörung nicht erfüllt sind.” Die Staatsanwaltschaft begründete ihre Entscheidung damit, dass das betreffende Waldstück zu dem konzessionierten Gebiet gehört, das durch eine frühere Entscheidung zur Bebauung freigegeben worden war.
Diesmal verlangten die Aktivistinnen und Aktivisten Einsicht in den Konzessionsvertrag, der in einer Schublade des Wirtschaftsministeriums des Kantons Zenica Doboj lag, weit weg von den Augen der Öffentlichkeit. Die Aktivist*innen betonten, dass die Tatsache, einen Konzessionsvertrag unterzeichnet zu haben, den Investor nicht dazu befugt, gegen die Vorschriften der Föderation BiH zu verstoßen.
Die Randgebiete der Gemeinden Vareš und Kakanj, in denen sich das Bergwerk und alle Anlagen zur Aufbereitung von Mineralien und zur Abfallentsorgung befinden, sind reich an ökologisch wertvollen, jahrhundertealten Wäldern und weisen eine außergewöhnliche Artenvielfalt auf. In der Gemeinde Kakanj befindet sich der bereits erwähnte Regenwald Trstionica, und das gesamte Gebiet ist von einem dichten Netz von Wasserwegen durchzogen, das Wander- und Naturliebhaber*innen anzieht.
Anfang Januar 2023 reichte die Gruppe „Naturpark Trstionica-Boriva” beim Gemeinderat von Kakanj eine Initiative zum Schutz dieses Gebiets ein, so wie es im Raumplan der Gemeinde und des Kantons Zenica Doboj vorgesehen ist. Nach Aussagen von Aktivisten und Aktivistinnen vor Ort wurden die Wälder am Hang von Kakanj, die nicht zu dem Gebiet gehören, das dem Unternehmen Adriatic Metals in Konzession gegeben wurde, illegal abgeholzt, um den Transport von Bergbauabfällen zu ermöglichen.
Einen bitteren Beigeschmack bei der Bevölkerung hinterließ die gelinde gesagt unangemessene Reaktion von Ministerpräsident Nermin Nikšić auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts. „Manche Leute glauben offenbar, dass es besser ist, einen unfruchtbaren und nutzlosen Wald zu erhalten (...), als eine attraktive Investition auf staatlichem Land zu unterstützen”, sagte er und ignorierte dabei die Tatsache, dass es sich nicht um einen „unfruchtbaren Wald” handelt, sondern um Bäume, die Teil eines hochwertigen Waldgebietes sind, das mit Trstionica verbunden ist, einem der wenigen Regenwälder in Europa mit drei hundertjährigem Baumbestand.
🤝 Dieser Artikel wurde im Rahmen der Collaborative and Investigative Journalism Initiative (CIJI) erstellt, einem von der Europäischen Kommission kofinanzierten Projekt.
👉 Originalartikel auf Osservatorio Balcani e Caucaso Transeuropa.
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