Im Gleichschritt hinter der Kanzlerin

Deutschlands Medien sind quasi gleichgeschaltet, kritisiert Autor Robert Misik. In der Euro-Krise beten sie simple Vorurteile nach, bringen bar jeden ökonomischen Sachverstands Propagandafloskeln unter die Leute und sind damit mitverantwortlich an Angela Merkels umstrittener Krisenpolitik.

Veröffentlicht am 12 Juli 2012

„Europe’s Most Dangerous Leader“ hat das britische Magazin New Statesman Angela Merkel unlängst genannt, und im Blattinnern avancierte die deutsche Kanzlerin gleich zur „gefährlichsten Person der Welt“.

Das Resumee der gut recherchierten Story liest sich am Ende dann so: „Auf Grund ihres Realitätsverlustes und ihrer Versessenheit auf Austeritätspolitik zerstört Merkel das europäische Projekt, sie stürzt Deutschlands Nachbarn in Armut und die Welt in eine globale Depression. Man sollte sie stoppen.“

Klar, da schlägt ein bisschen der branchentypische Hang zu Superlativen durch. Aber letztendlich bringen die Autoren nur auf den Punkt, wie man beinahe überall in Europa über die deutsche Kanzlerin und diesen Fiskalsadismus denkt sowie über die deutsche Weigerung, endlich mit entschlossenen Maßnahmen den Krisenbrand auszutreten.

In einem Land aber denkt man fundamental anders: in Deutschland. Normalerweise ist das in der EU-Politik ja so: Wenn von der „deutschen Position“ oder der „französischen Position“ die Rede ist, dann ist damit immer die Haltung der jeweiligen Regierung gemeint. Aber in der gegenwärtigen Eurokrise gibt es einen Schulterschluss zwischen Regierung, deutscher Öffentlichkeit, praktisch allen Medien, der so weit geht, dass sich die Opposition gar nicht mehr zu opponieren traut.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Und wenn, wie beim jüngsten EU-Gipfel, die deutsche Kanzlerin dazu gezwungen ist, ein paar Millimeter von ihrer fundamentalistischen Position abzurücken, dann kriegt sie daheim auch noch Prügel dafür. Dann ist sie „umgefallen“, dann fragt die Mainstream-Presse panisch: „Wer soll das alles bezahlen?“

Und, ja, das betrifft längst nicht nur die Schreihälse von der Bild, die in Zehn-Zentimeter-Lettern brüllen: „Noch mehr Geld für Pleite-Griechen? BILD sagt nein.“ Auch der normale, der angeblich objektive und seriöse Journalismus wirkt seit Monaten wie gleichgeschaltet.

Interessiert Sie dieser Artikel?

Er ist dank der Unterstützung unserer Community frei zugänglich. Die Veröffentlichung und Übersetzung unserer Artikel kostet Geld. Um Sie weiterhin unabhängig informieren zu können, brauchen wir Ihre Unterstützung.

Abonnieren oder Spenden

Seit den 1980er Jahren und der Finanzialisierung der Wirtschaft haben uns die Akteure der Finanzwirtschaft gelehrt, dass sich hinter jeder Gesetzeslücke eine kurzfristige Gewinnmöglichkeit verbirgt. All das und mehr diskutieren wir mit unseren Investigativ-Journalisten Stefano Valentino und Giorgio Michalopoulos. Sie haben für Voxeurop die dunklen Seiten der grünen Finanzwelt aufgedeckt und wurden für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.

Veranstaltung ansehen >

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie Journalismus, der nicht an Grenzen Halt macht.

Nutzen Sie unsere Abo-Angebote oder stärken Sie unsere Unabhängigkeit durch eine Spende.

Zum gleichen Thema