Wenn Gott den Menschen gesagt hat, sie sollen sich, was auch immer geschehe, alleine durchschlagen, scheinen die Griechendie Anweisung zu befolgen: Des Wartens müde, dass sich die EU ihres Schicksals annimmt, nehmen sie ihr Leben selbst in die Hand. Daher wenden sie sich an die Bulgaren und machen ihre Einkäufe bei ihren nördlichen Nachbarn, die ein kleineres Pro-Kopf-Einkommen haben und deren Waren daher glücklicherweise weitaus billiger sind. Zusätzlich lernen sie dazu deren Sprache! Dies ist eine vortreffliche Lektion in Pragmatismus und Solidarität, dort, wo die Köpfe der 27 es nicht geschafft haben, eine starke Wahl zu treffen.
Anstelle auf eine Hilfe zu warten, die nicht kommen will und vielleicht zu spät kommt, haben die Griechen eine alte Methode übernommen, die den Einwohnern der ehemaligen kommunistischen Länder nur zu bekannt ist. Damals haben die Rumänen wie die Tschechoslowaken ihre Einkäufe "nebenan" bei den Ungarn, Polen oder Jugoslawen gemacht, anstelle die von den Regimen im Namen des Sozialismus geforderten Opfer zu bringen. Denn bei den Nachbarn waren die Regale voll von Nahrung zu erschwinglichen Preisen. Ihr Überlebensinstinkt hat so über die Satzung des sozialistischen Maßhaltens gesiegt.
Dieser Solidaritätslektion sollten die westeuropäischen Länder jetzt Rechnung tragen, wo Griechenland sie um Hilfe gebeten hat. Ihr Verhalten erinnert übrigens an den griechischen Mythos der Wahl des Herakles wie er durch Xenophon überliefert ist: Kakia, Inbegriff des Lasters – die man mit den meisten Ländern des Euro-Gebietes vergleichen kann – schenkte Herakles Reichtum und alle weltlichen Vergnügungen, ohne dass er dafür etwas tun musste. Arete, die Tugend – hier: Deutschland – bot ihm ein Leben voller Mühen gegen das Schlechte, um am Ende zu Ruhm zu gelangen. Sie sagt: Wenn du die Ehrung der Stadt haben willst, musst du ihr dienen, das Gute, das du dir wünscht, musst du erst selbst geben. Herakles zögert einen Moment, bevor er Arete folgt. Auch die Europäische Union ist zwischen zwei Optionen zerrissen: Der Solidarität zu einem Partner, der sich in Schwierigkeiten befindet (heute Griechenland, morgen Portugal oder Spanien), und der Notwendigkeit, ihm eine Lektion zu geben, damit Selbiges nicht erneut geschieht und damit andere nicht versucht sind, der gleichen Nachlässigkeit zu verfallen.
Nach Jahren der Sorglosigkeit muss Griechenland jetzt seine Rechnungen machen. Bis die von der Regierung übernommenen Maßnahmen ihre Früchte tragen und die Hilfe der EU in Kraft tritt, haben die Griechen angefangen, sich alleine durchzuschlagen. Der Vorsatz "Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott" ist wirksamer als die Hände in den Schoß zu legen und zu warten. (sd) Iulia Badea Guéritée
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