Gemeinsame Pressekonferenz: Die Ministerpräsidenten Luxemburgs und Italiens, Jean-Claude Juncker und Silvio Berlusconi, mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. (AFP)

Alle nicht ganz koscher

Rumänien ist EU-weit bekannt für seine inkompetenten Politiker, Korruption und Brüsseler Strafbriefe. Letzten Endes sind seine Nachbarn aber auch nicht besser, erwidert die Bukarester Wochenzeitung Dilema Veche. Kleine Lektion in Demut.

Veröffentlicht am 8 Juli 2009 um 15:39
Gemeinsame Pressekonferenz: Die Ministerpräsidenten Luxemburgs und Italiens, Jean-Claude Juncker und Silvio Berlusconi, mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. (AFP)

"So ist es halt bei uns und nicht bei den anderen" ist eine der nervigsten Phrasen überhaupt. Damit entschuldigt man die angebliche rumänische Sonderstellung, anders gesagt, den Mangel an Aktion und fehlenden Ehrgeiz. Es gibt aber auch das Gegenteil, einen aufkeimenden Überlegenheitskomplex.

Seit kurzem wird dieses "So ist es halt bei uns und nicht bei den anderen" dazu benutzt, um uns mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten zu vergleichen. Bei uns werden die meisten Fonds veruntreut. Unsere Politiker sind die unreifsten und die primitivsten mit Sitten demokratischer Hinterwäldler. Als jüngstes Beispiel dienen die Sanktionen der EU-Kommission gegen Rumänien in der Energiefrage. Dabei erkennt man, wenn man auch nur kurz genauer hinschaut, dass diese Maßnahmen wegen Verstöße gegen die EU-Richtlinie nicht weniger als fünfundzwanzig der siebenundzwanzig EU-Staaten betreffen!

Und wenn wir schon mal von der schlechten Qualität des rumänischen Politpersonals reden, sehen wir uns doch einmal unsere Nachbarn an. Nehmen wir beispielsweise die politische Vision der Tschechen. Dort gibt es einen euroskeptischen Präsidenten, der die Europafahne auf den öffentlichen Gebäuden verbietet und erklärt, dass "Tschechien keine Provinz der Europäischen Union" sei. Selbiger ließ gar während der europäischen Ratspräsidentschaft seines Landes die Regierung ablösen. Das war natürlich Wasser auf den Mühlen der alten Mitgliedsstaaten, von denen viele immer wieder sagen: "Wir haben euch ja gewarnt. Lasst euch nicht mit denen aus dem Osten ein. Denen fehlt die nötige Reife."

Natürlich gibt es auch im Westen Fehlschläge. Das Paradebeispiel ist der berühmt-berüchtigte Berlusconi. Im Jahr 2008 hat die Barroso-Kommission einen diskreten Mandatswechsel vorgenommen. Als Franco Frattini in seine Heimat zurückkehrte [um Außenminister zu werden], wurde der Posten des EU-Kommissars für Justiz Frankreich zugesprochen. Zum einen, um Nicolas Sarkozy für sein klareres Engagement Frankreichs für Europa zu belohnen, zum anderen, um sich aus der paradoxen Situation zu befreien, wo gerade der "Berlusconi-Staat" auch noch den Justiz-Kommissar stellte. Die Situation eines Gerhard Schröder erscheint einem auch nicht ganz koscher. Als Kanzler handelte er die Zusammenarbeit seines Landes mit Gazprom aus. Als Angela Merkel ihn ablöste, trat er (zumindest indirekt) in den Sold des russischen Konglomerats. Ist das moralisch?

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Ich komme noch einmal auf die "schlechte Qualität des rumänischen Polit-Personals" zurück. Ich teile in keinster Weise "die Scham des rumänischen Volkes", dass wir "die beiden" [Corneliu Vadim Tudor und Gigi Becali, deren Wahl zum Europaabgeordneten Kontroversen hervorrief] nach Brüssel schicken. In Europa gibt es viele frustrierte und den Institutionen skeptisch gegenüberstehende Abgeordnete. Es ist gesund, dass diese Menschen im Parlament repräsentiert werden und so nicht von der Gewalt versucht werden.

Mit einem Wort, die Gesundheit der Ziege unseres Nachbarn ist kein Grund dafür, dass unsere auch hinkt. Der Zustand der Justiz in Italien rechtfertigt nicht den der unseren. Ein fehlendes Gesetz zur Transparenz in Deutschland bedeutet nicht, dass wir nachlässig sein dürfen. Überhaupt nicht. Ich sage nur, dass eine gründliche Kenntnis dessen, was beim Nachbarn passiert, helfen kann, den eigenen Garten auf Vordermann zu bringen. Wie sagt man so schön bei uns? Der Dumme lernt aus seinen Fehlern, der Weise lernt vor allem aus den Fehlern der anderen.

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